L-Arginin bei Darmentzündungen?

Einleitung

L-Arginin könnte eine neue Behandlungsmöglichkeit von chronischen Darmentzündungen sein. Ein Mangel an der semiessentiellen Aminosäure L-Arginin fördert und verstärkt Entzündungen der Schleimhaut des Darmes! 
Zu dieser Erkenntnis kam eine Gruppe von Wissenschaftlern am Institut für klinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Demnach könnte L-Arginin eine überaus wichtige Rolle bei der Entstehung, dem Verlauf aber auch der Therapie von chronischen Darmentzündungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa haben. 

Originalpublikation: https://www.jci.org/articles/view/126923               25.09.2020 16:48 (idw)

Was ist L-Arginin?

L-Arginin ist eine semiessentielle Aminosäure. Das heißt, das wir diese Aminosäure über unsere Nahrung aufnehmen können aber unser Körper stellt sie auch selbst her. Der Mensch kann L-Arginin selbst herstellen. Aber die entstehenden Mengen sind nicht ausreichend, um den Bedarf, besonders bei Kindern und Heranwachsenden vollständig abzudecken. Deshalb ist L-Arginin für Kinder eine essentielle Aminosäure. L-Arginin ist die alleinige Vorstufe von Stickstoffmonoxid (NO), einem wichtigen Botenstoff im menschlichen Körper. Dieser Botenstoff hat großen Einfluss auf den Verlauf von entzündlichen Darmerkrankungen.

L-Arginin, Strukturformel
L-Arginin, Strukturformel

Wie wirkt L-Arginin im Körper?

L-Arginin hat vielfältige Wirkungen in unserem Körper. Unter anderem führt es zu einer Gefäßerweiterung und ist in der Lage, über diese unseren Blutdruck zu senken. Daher findet L-Arginin im Bodybuilding als sogenanntes „Pump-Supplement“ Anwendung.

Das Stickstoffmonoxid, welches durch L-Arginin erzeugt wird, führt zu einer Hemmung der Verklumpung von Blutplättchen. Das senkt die Gefahr einen Schlaganfall zu erleiden. Weiterhin nimmt man an, das L-Arginin die eingeschränkte Immunantwort nach Operationen, bei schweren Verletzungen, Stress, Sepsis und Mangelernährung positiv beeinflussen kann.

Außerdem kann eine zusätzliche Gabe von L-Arginin die Freisetzung von Insulin aus der Bauchspeicheldrüse anregen und eine Insulinresistenz signifikant verringern. Aber L-Arginin kann als Vorstufe von NO auch großen Einfluss auf Stärke und Verlauf von chronischen Darmentzündungen ausüben.

Bedarf an L-Arginin

Manchmal ist auch bei Erwachsenen der Bedarf an L-Arginin nicht ausreichend gedeckt. Bei Dauerstress, verschiedenen Krankheiten (Gefäßerkrankungen, Arteriosklerose, Bluthochdruck, erektile Dysfunktion) und auch nach Unfällen übersteigt der Bedarf an L-Arginin die vom Körper hergestellte Menge.


Bei einer Eiweißzufuhr von 70 bis 90 g am Tag bedeutet dies eine tägliche Zufuhr von L-Arginin von ungefähr 1 bis 5 g pro Tag.

Darmgesundheit und L-Arginin

Die Wechselwirkung der Darmbakterien, Pilze und anderen Einzeller, die man heute so simpel als Mikrobiota des Darmes bezeichnet – mit körpereigenen Zellen- ist von großem Einfluss auf die Verdauung, den Stoffwechsel, die Darmdurchblutung, die Durchlässigkeit der Gefäße aber vor allem für die Kontrolle von Entzündungen. Das bedeutet, dass mit L-Arginingaben das Entzündungsgeschehen bei chronischen Darmentzündungen positiv beeinflusst werden kann.


Verändert sich das Zusammenspiel von Mikrobiota und der obersten Schicht der Darmwand, dem Darmepithel, beeinträchtigt das unsere Gesundheit deutlich. Das ist so, weil die Zellen der Gefäßinnenwände der Darmwand und die verschiedenen Immunzellen dort in ihrem Zusammenspiel gestört werden. Bei chronischen Darmentzündungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind diese Wechselwirkungen empfindlich gestört. Die Folge davon sind nun ein veränderter Eiweißstoffwechsel und eine deutliche Veränderung der Mikrobiota im Darm von Betroffenen.

L-Arginin wirkt positiv bei Darmentzündungen!

L-Arginin dient im Darm als gemeinsamer Ausgangsstoff für die beiden Enzyme Arginase 1 und Stickstoffmonoxidthase, welche beide Immunantworten entscheidend und auch oft gegensätzlich zueinander beeinflussen.
Auch gilt L-Arginin als Ausgangsstoff für weitere Stoffwechselverbindungen. Hier sind es die sogenannten Polyamide, die das Zellwachstum fördern.
Außerdem ist L-Arginin eines der wichtigsten Zwischenprodukte des Harnstoffzyklus, der wesentlich zu Entgiftung unseres Körpers beiträgt.


Zu wenig L-Arginin verändert die Zusammensetzung der Mikrobiota maßgeblich und verschlimmert der Verlauf von Darmentzündungen. Dabei sammeln sich vermehrt Entzündungszellen in der Darmschleimhaut und die Anzahl an Blutgefäßen in der Darmwand nimmt zu.


Umgekehrt wirkt sich eine verstärkte Aufnahme von L-Arginin aus der Nahrung günstig auf die Reichhaltigkeit und Vielfalt der Mikrobiota aus. Dann produzieren Darmbakterien im Darminneren verstärkt Polyamine, die ihrerseits nun Gene aktivieren, die die Darmschleimhaut und die dortigen Blutgefäße schützen. Somit wird der Verlauf einer entzündlichen Darmerkrankung sehr positiv beeinflusst.


Wissenschaftler haben im Darm von Morbus Crohn Patienten und auch im Darm von Menschen, die an Colitis ulcerosa erkrankt sind größere Mengen an L-Arginin verbrauchenden Enzymen festgestellt, als im Darm von gesunden Menschen.


Somit könnte eine Nahrungsergänzung mit L-Arginin eine neue und vielversprechende Variante der Therapie der beiden häufigsten entzündlichen Darmerkrankungen sein und eine Hoffnung für viele Patienten mit schweren Verläufen und Komplikationen.

Fazit

L-Arginin scheint als semiessentielle Aminosäure einen weitaus größeren Stellenwert zu besitzen, als bisher angenommen. Die Therapie von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa könnte durch die gezielte Gabe dieser Aminosäure einen wichtigen und nebenwirkungsarmen Impuls erhalten, der bei längerer Erkrankung oder bei schweren Verläufen oft den enormen Leidensdruck der Patienten mildern könnte.

Hoffen wir also auf weitere Forschungen und vor allem eindeutige Angaben zur Dosierung von L-Arginin.
L-Arginin scheint nun schnellstens aus der Ecke der potenzstärkenden Mittel und „Pump-Supplemente“ in der Bodybuilder Szene herausmanövriert werden zu müssen!

Quellen

  1.  P. Fürst, H.-K. Biesalki u. a.: Ernährungsmedizin. Thieme-Verlag, Stuttgart 2004, S. 94–95.
  2. L. D. Monti, M. C. Casiraghi, E. Setola, E. Galluccio, M. A. Pagani, L. Quaglia, E. Bosi, P. Piatti: L-arginine enriched biscuits improve endothelial function and glucose metabolism: a pilot study in healthy subjects and a cross-over study in subjects with impaired glucose tolerance and metabolic syndrome. In: Metabolism. 62(2), Feb 2013, S. 255–264. doi:10.1016/j.metabol.2012.08.004.
  3. A. Ströhle, A. Hahn: Arginin bei Atherosklerose: Diätetische Maßnahmen bei Atherosklerose – Stellenwert von L-Arginin. In: Deutsche Apotheker Zeitung. Teil 1: Band 20, 2012, S. 97–102 und Teil 2: Band 21, S. 74–83

 

Hallo, ich bin Andy

Ich arbeite als Medizinjournalistin und Autorin.  

Nach Abschluss eines naturwissenschaftlichen Studiums mit Diplom begann ich mich für Medizinjournalismus zu interessieren und machte ihn zu meinem Beruf.

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