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Mehrfach ungesättigte Fettsäuren lösen Darmentzündung aus?

mehrfach ungesättigte Fettsäuren in Ölen

Einführung

Kürzlich veröffentlichten Wissenschaftler der Medizinischen Universität Innsbruck im Fachjournal Nature Communications erstaunliche Ergebnisse einer von ihnen durchgeführten Studie zur außerordentlichen Zunahme von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn. Die Wissenschaftler untersuchten, welche Bestandteile der Nahrung im westlichen Kulturkreis diese Entzündungen anfachen und unterhalten könnten.

Das Ergebnis war: mehrfach ungesättigte Fettsäuren lösen Darmentzündung aus! Denn tatsächlich wird, neben einer genetischen Komponente bei diesen beiden Erkrankungen, der Ernährung eine zentrale Rolle zugeschrieben. Seit April liegen nun neue und sehr überraschende Ergebnisse vor. Sie erkannten, dass mehrfach ungesättigte Fettsäuren in der westlichen Ernährung eine Entzündungsreaktion im Darm auslösen können.

Diese Fettsäuren, gelten als sehr gesund und werden zum Teil in Nahrungsmitteln künstlich zugesetzt. Was aber, wenn gerade diese Fettsäuren nun die Entzündungsprozesse bei Colitis ulcerosa und Morbus Crohn anfeuern?

Originalpublikation: Mehrfach ungesättigte Fettsäuren lösen Morbus Crohn ähnliche Darmentzündung aus

Was sind mehrfach ungesättigte Fettsäuren und weshalb sind sie so gesund?

Sie gelten als gesund und man empfiehlt uns, möglichst viele von ihnen zu uns zu nehmen, die mehrfach ungesättigten Fettsäuren. Aber was genau versteht man darunter? Und warum sollten wir von diesen Fetten immer ausreichende Mengen zu uns nehmen? Gibt es gute und schlechte Fette und wenn ja, wie unterscheiden sie sich?

Was sind mehrfach ungesättigte Fettsäuren?

Mehrfach ungesättigte Fettsäuren sind für unseren Körper essentiell. Das bedeutet, dass wir sie über die Nahrung zuführen müssen, denn unser Körper kann sie nicht selbst herstellen. Die mehrfach ungesättigten Fettsäuren werden unterschieden in Omega-3-Fettsäuren und Omega-6-Fettsäuren. Eine der wichtigsten Omega-6-Fettsäuren ist Linolsäure. Zu den Omega-3-Fettsäuren gehören die Alpha-Linolensäure (ALA), die Docosahexaensäure (DHA) und die Eicosapentaensäure (EPA).

In welchen Lebensmitteln finden wir mehrfach ungesättigte Fettsäuren?

Distelöl besitzt etwa 74% mehrfach ungesättigte Fettsäuren, Wallnussöl folgt ihm dichtauf mit 68%. Maiskeimöl wartet mit 55% auf und bei Sonnenblumenöl, jenem Öl, das jeder benutzt und das man in sehr vielen Fertigprodukten findet, sind es 61%! Auch Sojaöl, Distelöl, Leinöl, Traubenkernöl, Kürbiskernöl und Sesamöl sind reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren.

Aber mehrfach ungesättigte Fettsäuren findet man auch in Nüssen, Kaltwasserfischarten wie Thunfisch, Hering, Lachs oder Makrele. Auch Fleisch, Getreide und Kartoffeln enthalten mehrfach ungesättigte Fettsäuren, ebenso wie Gemüse, zum Beispiel Avocados.

Welche gesundheitlichen Vorteile bieten mehrfach ungesättigte Fettsäuren?

Ungesättigte Fettsäuren generell, aber mehrfach ungesättigte im Besonderen, bieten einige positive Wirkungen auf das Herz-Kreislaufsystem.
Dabei geht es um den Austausch von gesättigten Fettsäuren durch ungesättigte Fettsäuren.

Tauschen wir also Margarine, Schmalz, Butter, Palmöl und Kokosfett gegen die oben genannten pflanzlichen Öle aus, so senken wir unseren Spiegel an „schlechtem“ LDL-Cholesterin und erhöhen die Konzentration von „gutem“ HDL-Cholesterin. Außerdem verringert sich die Gesamtcholesterinmenge im Blut. Damit nun, senken wir unser Risiko für Herz-Kreislauferkrankungen wie zum Beispiel einen Herzinfarkt oder andere Erkrankungen der koronaren Herzgefäße.

Außerdem wirken ungesättigte Fettsäuren auch dem Risiko entgegen an bestimmten Krebsarten zu erkranken. Dazu zählen unter anderem Brustkrebs, Darmkrebs und Prostatakrebs.

Daneben wirken ungesättigte Fettsäuren möglicherweise auch entzündlichen Erkrankungen wie Arthritis oder Asthma entgegen. Allerdings besteht hier noch Forschungsbedarf.

Wie sollte das Verhältnis zwischen der Aufnahme von Omega-3-und Omega-6-Fettsäuren sein?

Omega-6-Fettsäuren sind zwar ungesättigte Fettsäuren, aber bei Menschen mit chronischen Entzündungen sollte man Vorsicht walten lassen. Sie fördern die Entstehung und den Fortbestand von Entzündungen als Teil der Immunabwehr. Bei Infektionen kann das durchaus hilfreich sein, aber es kann bei bestehenden Entzündungen auch zu Verschlechterungen führen.


Der natürliche Gegenspieler der Omega-6-Fettsäuren sind die Omega-3-Fettsäuren. Diese Fettsäuren dämpfen Entzündungen. Also kommt es hier ganz augenscheinlich auf das richtige Mengenverhältnis an.
In unserer Nahrung besteht bei einer Ernährung westlicher Prägung ein Ungleichgewicht zwischen den entzündungsfördernden Omega-6-Fettsäuren und den entzündungsdämpfenden Omega-3-Fettsäuren.


Im Idealfall sollte bei einer ausgewogenen Ernährung nun das Verhältnis Omega-6/3 zwischen 1 : 1 und 2,5 : 1 liegen. Aber in Mitteleuropa liegt es bei 12-15 : 1. 
Einen besonders hohen Anteil an Omega-6-Fettsäuren weisen tierische Lebensmittel auf. Fleisch, Wurstwaren, Milch, Käse und Hühnereier bilden die Hauptquellen. Aber auch kostengünstige Pflanzenöle wie Margarine, Sonnenblumenöl und Sojaöl, die die Lebensmittelindustrie bei der Herstellung sehr vieler verarbeiteter Nahrungsmittel, Backwaren und Fertigprodukte einsetzt, bilden eine große Quelle. Außerdem verwenden viele Menschen diese Öle auch heute noch zum backen und braten.

Was haben die Forscher in Insbruck untersucht?

Sie haben auf der Suche nach entzündlichen Bestandteilen in der westlichen Ernährung einen neuen Ansatz verfolgt: Für Untersuchungen im Labor wurde eine Diät zusammengestellt, die der Zusammensetzung einer westlichen Ernährungsweise entspricht. Dabei nahmen die Wissenschaftler nicht nur gesättigte Fettsäuren, sondern auch mehrfach ungesättigte Fettsäuren in typischen Mengenverhältnissen in ihre Testdiät auf und fütterten damit drei Monate hindurch ihre Labormäuse.

Dabei stellten sie zu ihrer Überraschung fest, das insbesondere mehrfach ungesättigte Fettsäuren im Darm der Mäuse eine Entzündungsreaktion hervorriefen, die stark dem Bild der Erkrankung Morbus Crohn beim Menschen ähnelt.
Weshalb ist das so?


Die Signale für das Auslösen einer Entzündung werden von Zellen in der Darmschleimhaut gebildet, der sogenannten Darmbarriere. Diese Signale werden nun durch ein Enzym namens Gluthathione Peroxidase (GPX4) kontrolliert, so das im gesunden Darm keine Entzündungsantwort entsteht. Mehrfach ungesättigte Fettsäuren aber hemmen die Aktivität dieses Enzymes, so das es im Darm der Mäuse zu einer Entzündungsantwort und damit zu einem dem Morbus Crohn sehr ähnlichen Krankheitsbild kam.

Wo liegt die Brisanz dieser Forschungsergebnisse?

Die als gesund geltenden mehrfach ungesättigten Fettsäuren werden teilweise in Lebensmitteln angereichert oder sogar als Nahrungsergänzungsmittel eingenommen. Hier gibt es also, insbesondere im Hinblick auf die Zunahme von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen in den letzten Jahren einen großen Forschungsbedarf.


Wir benötigen mehrfach ungesättigte Fettsäuren in relevanten Mengen um Entzündungsreaktionen des Körpers zu steuern. Im Falle von normalen Entzündungsprozessen, ist es gut und gewollt, das Immunsystem anzuregen. Aber bei bereits vorhandenen oder latent schwelenden chronischen Entzündungsprozessen, wie es bei Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn der Fall ist, könnten diese Entzündungen durch mehrfach ungesättigte Fettsäuren noch befeuert werden.

Natürlich weisen die Forscher darauf hin, dass eine Übersetzung ihrer Ergebnisse auf den Menschen noch aussteht, aber das Forschen an den Entstehungsmechanismen von Entzündungen scheint durch diese Studie um einiges an Brisanz gewonnen zu haben.

Wie viel Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren sollen wir nun tatsächlich aufnehmen?

Es gibt einige Verzehrsempfehlungen zum Thema ungesättigte Fettsäuren. Da aber in der normalen westlichen Ernährung eher ein Problem mit dem zu geringen Verzehr von ungesättigten Fettsäuren besteht, der einem übermäßigen Verzehr von gesättigten Fettsäuren gegenübersteht, ist guter Rat in diesem Falle teuer.


Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) sagt zu diesem Thema: Wir sollen 7 bis 10 Prozent der täglichen Gesamtenergiezufuhr durch ungesättigte Fettsäuren abdecken. Dabei sollten wir auf die gute Qualität des Fettes achten. Und wir sollten besonders viele sogenannte Omega-3-Fettsäuren verzehren.

Zum einen stellt sich nach den Ergebnissen der Studie nun die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre, für die Betroffenen von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen solche Richtwerte vielleicht zu überdenken. Zum anderen gibt es hier einen großen Bedarf an alltagstauglichen und praktikablen Vorgaben, denn wer will schon ständig ausrechnen müssen, ob er/sie es mit den gesunden mehrfach ungesättigten Fettsäuren der Omega-6-Fraktion nicht übertreibt!

Wieviel Fett verzehren wir wirklich?

Hier gilt jener alte Satz: Die Dosis macht das Gift. Tatsächlich liegen die meisten Europäer um einiges über der empfohlenen Menge von maximal 30% Gesamtkalorienmenge an Fett pro Tag. Bei Westeuropäern sind es 37% und bei Südeuropäern gar 46% der Gesamtkalorienmenge pro Tag. Aber das ist nur die Hälfte der schlechten Nachrichten, denn gleichzeitig ist die Aufnahme sowohl einfach als auch mehrfach ungesättigter Fettsäuren dabei sehr viel geringer als empfohlen.

Die gute Nachricht zu diesem Thema lautet: Versuche zur Reduktion von Trans-Fetten, also Fetten, die gesundheitlich bedenklich sind, durch Veränderung der Nahrungszusammensetzung, waren erfolgreich. In Westeuropa entspricht die aufnahme von Trans-Fetten der Verzehrsempfehlung von weniger als 1% der Gesamtenergieaufnahme. Diesbezüglich gibt es nur mehr in Osteuropa in einigen Ländern Probleme.

Wieviel Fett sollten wir essen?

Da ist er, jener in Stein gemeißelte Satz: Erwachsene sollten 20 bis 35% ihrer täglichen Gesamtkalorienmenge aus Fett beziehen. Aber was bedeutet das nun konkret?

Welche Fette sollten wir verzehren?

Ein mäßig aktiver Mann sollte ungefähr 2500 kcal am Tag aufnehmen. Das ergäbe 55 bis 97 g Fett am Tag. 

Dabei sollten weniger als 10% der Gesamtenergieaufnahme aus gesättigten Fettsäuren bestehen.
Das wären also 28g.
Die Restmenge an Fett sollte aus ungesättigten Fetten bestehen.

Der Verzehr von Trans-Fetten läge bei maximal 3 g.

Eine moderat aktive Frau sollte etwa 2000 kcal am Tag zu sich nehmen. Das wären also 44 bis 78 g Fett am Tag.

Hier sollten weniger als 10% der Gesamtenergiemenge aus gesättigten Fettsäuren bestehen.
Das wären dann 22 g.
Die restliche Menge an Fett sollte aus ungesättigten Fettsäuren bestehen.

Trans-Fette sollten nun nur zu maximal 1% verzehrt werden. Das sind bei Frauen dann weniger als 2g.

Hallo, ich bin Andy

Ich arbeite als Medizinjournalistin und Autorin.  

Nach Abschluss eines naturwissenschaftlichen Studiums mit Diplom begann ich mich für Medizinjournalismus zu interessieren und machte ihn zu meinem Beruf.

Als Betroffene von Magen-Darm-Erkrankungen weiß ich, worüber ich schreibe.



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Fazit

Das mehrfach ungesättigte Fettsäuren Auslöser einer Darmentzündung sind, scheint eine nicht zu unterschätzende Entdeckung zu sein. Was diese Studie allerdings vermissen lässt, ist schlicht die Unterscheidung von Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren. Aber halten wir den Forschern zu gute, dass wohl niemand so recht mit dem überraschenden Ergebnis gerechnet hat.


Wollen wir in unserem Körper ein entzündungsneutrales Gleichgewicht zwischen Omega-6-und Omega-3- Fettsäuren herstellen, so sollten wir weniger verarbeitete Fleisch und Milchprodukte essen, den Verzehr von Fastfood einschränken, auf Fertiggerichte weitestgehend verzichten und über die Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren durch Nahrungsergänzungsprodukte nachdenken.

Quellen

  • Wolf-H. Kunau: Chemie und Biochemie ungesättigter Fettsäuren. In: Angewandte Chemie. 88, 1976, S. 97–111 (doi:10.1002/ange.19760880402).
  • J. Ernst, W. S. Sheldrick, J.-H. Fuhrhop: Die Strukturen der essentiellen ungesättigten Fettsäuren. Kristallstruktur der Linolsäure sowie Nachweis für die Kristallstrukturen der Linolensäure und der Arachidonsäure. In: Z. Naturforsch. 34b, 1979, S. 706–711.
  • Online Informationen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE): www.dge.de (Abrufdatum 11.7.2016
  • Elmadfa, I. & Leitzmann, C.: Ernährung des Menschen, utb-Verlag, 5. Auflage, 2015
  • F. D. Gunstone, J. L. Harwood, F. B. Padley: The Lipid Handbook. Chapman and Hall, London/ New York 1986, ISBN 0-412-24480-2.
  • Biesalski, K. et al.: Ernährungsmedizin, Thieme Verlag, 4. Auflage 2010