Zoeliakie

Wenn Gluten zum Feind wird

Es ist und bleibt eine schwere Bürde lebenslang eine Diät einhalten zu müssen. Betroffene von Zöliakie tragen diese Bürde. Sicher ist es heute speziell wegen des derzeit herrschenden Hypes zur glutenfreien Ernährung wesentlich leichter als vor 20 Jahren eine strikt glutenfreie Ernährung durchzuziehen, aber der Teufel sitzt auch hier oft im Detail. Nachlässigkeiten in der Gluten-Karenz werden bestraft. Dabei sind es mit Durchfällen und Blutarmut nicht immer nur die unmittelbaren Folgen. Zöliakiebetroffene die ihre Diät nicht streng einhalten, erkranken häufiger an Tumoren als ihre Leidensgenossen, die sich an ihre Diät halten.

Zeichen für Glutenfreiheit

Was ist Zöliakie?

Sie ist eine Krankheit mit vielen Namen und vielen Gesichtern, die Zöliakie. Man nennt sie auch Einheimische Sprue und der Gastroenterologe spricht von ihr als Gluten-sensitiver Enteropathie. Zugrunde liegt dieser Erkrankung eine Unverträglichkeit des Körpers der Betroffenen auf das Klebereiweiß Gluten, oder besser auch ein einzelnes Eiweiß im Stoffgemisch Gluten. Es geht um Gliadin.

Dieses Eiweiß löst die Erkrankung aus. Die meisten Mediziner gehen davon aus, das zur Belastung des Darmes mit Gliadin auch noch andere sogenannte Triggerfaktoren hinzukommen müssen wie etwa Infektionen mit Bakterien oder Viren. Auch auf nah verwandte Eiweiße aus Gerste oder Roggen und vielen anderen Getreiden reagiert der Körper. Um laienverständlich zu bleiben sprechen die Mediziner immer vom Gluten als dem Übeltäter.

Gluten wirkt im Dünndarm der Betroffenen als Fremdstoff und löst dort eine starke Reaktion aus. Das Immunsystem greift irrtümlicher Weise das Gluten/Gliadin als Fremdstoff an und verursacht eine schwere Entzündung der Dünndarmzotten. Diese gehen durch die Entzündungsreaktion zu Grunde.

Ursachen von Zöliakie

Die Zöliakie ist eine Autoimmunkrankheit. Man nimmt hier genetische Veranlagungen an, die zu einer Autoimmunreaktion führen. Das bedeutet, das Immunsystem greift irrtümlich körpereigenes Gewebe an. Die Immunantwort ruft dann in den Zellen der Dünndarmschleimhaut eine Entzündungsreaktion hervor, die dazu führt, das sie absterben.

Es sind bestimmte Oberflächenmerkmale auf Immunzellen vorhanden (HLA-DQ2 oder DQ8). Dabei lassen sich im Blut Betroffener Antikörper nachweisen. Der Dünndarm dient der Aufnahme von Nährstoffen. Er ist mit einer stark gezotteten Oberfläche versehen um die Kontaktfläche mit dem Nahrungsbrei zu vergrössern. Bei einer Zöliakie aber verschwinden diese Zotten zunehmend und so verkleinert sich die Oberfläche der Dünndarmschleimhaut rapide und der Darm kann aus dem Nahrungsbrei nicht genügend Nährstoffe aufnehmen.

Die Lebenszeit der Darmepithelzellen, also der Zellen der Darmschleimhaut die auf den Zotten sitzen, beträgt bei Gesunden 2 bis 5 Tage, bei an Zöliakie Erkrankten aber nur 6 Stunden. Trotzdem der Darm versucht, den Verlust an Schleimhautzellen auszugleichen ist der Schwund an Zotten nicht aufzuhalten. Es kommt zu Mangelerscheinungen.

Eine weitere mögliche Ursache könnten Enzymdefekte in der Dünndarmschleimhaut sein, ähnlich wie bei Laktasemangel.

Seit neuerem stehen auch eine bestimmte Gruppe von Reoviren unter Verdacht, zumindest Mitauslöser von Zöliakie zu sein. Näheres dazu findet ihr in unserem Artikel: Reoviren – lösen Zöliakie aus!

Darmzotten bei Zöliakie
Zottenatrophie des Dünndarmes – Kahlschlag unter den Dünndarmzotten bei Zöliakie

Zöliakie ist also ein Mischform aus Allergie und Autoimmunerkrankung. Bei Allergien reagiert das Immunsystem auf eigentlich harmlose Stoffe. Genau das geschieht bei Zöliakie. Aber die Erkrankung erfüllt auch die Definition einer Autoimmunerkrankung weil das Immunsystem Antikörper gegen das körpereigene Enzym Gewebetransglutaminase bildet.

Gibt es typische Symptome bei Zöliakie?

Man nennt die Zöliakie auch das „Chamäleon der Gastroenterologie“. Das bedeutet, es treten bei dieser Erkrankung individuell sehr unterschiedliche Symptome auf. Auch können eine ganze Reihe von Erkrankungen mit Zöliakie einher gehen.
Das erschwert die Diagnosefindung beträchtlich.

Die Symptome sind leicht mit denen einer Lebensmittelallergie oder Lebensmittelunverträglichkeiten zu verwechseln. Viele Betroffene haben nur minimale Beschwerden und zeigen oft auch nur einzelne Symptome. Diese Symptome sind bei weitem nicht nur auf den Magen-Darm-Bereich beschränkt.

typische Beschwerden aus dem Magen-Darmbereich sind:

  • Übelkeit
  • Erbrechen
  • Durchfall
  • Blähungen
  • Verstopfung
  • Appetitlosigkeit
  • Bauchschmerzen
  • übelriechender und fettglänzender Stuhl

Oft leiden von Zöliakie Betroffene aber gar nicht an diesen Beschwerden sondern an Abgeschlagenheit und verstärkter Müdigkeit.
Dies sind oft Auswirkungen von Nährstoffmängeln. Diese Menschen zeigen bei Laboruntersuchungen ihres Blutes einen Mangel an Eisen, Zink, Selen, Kalzium, Folsäure und Vitamin D.

Bei Zinkmangel kann es zu Hauterkrankungen kommen. Der Mangel an Folsäure führt zu einer verminderten Bildung von weißen Blutkörperchen oder aber während einer Schwangerschaft zur Entwicklung einer Spina bifida (sog. offener Rücken) beim Ungeborenen.
Auch erhöhte Leberwerte könnten ein Anzeichen für Zöliakie sein.

Symptome von Zöliakie außerhalb des Verdauungstraktes

  • Hautveränderungen (Dermatitis herpetiformis Duhring)
  • Kopfschmerzen oder Migräne
  • Müdigkeit
  • Reizbarkeit
  • depressive Verstimmung / Depression
  • Blutarmut (Eisenmangelanämie)
  • Gewichtsverlust
  • Muskelschwäche
  • Eiweißmangel mit Flüssigkeitseinlagerungen (Eiweißmangelödeme)
  • Osteoporose
  • Nachtblindheit
  • Fruchtbarkeitsprobleme, Fehlgeburten, Frühgeburten und Zyklusstörungen
  • neurologische Probleme
  • Blutungsstörungen (Purpura)
  • Morbus Crohn
  • Colitis ulcerosa

In seltenen Fällen und bei unbehandelter oder inkonsequent behandelter Zöliakie (Einhaltung der glutenfreien Diät) kann es zur Entstehung von T-Zell-Lymphomen im Verdauungstrakt kommen. Diese Art bösartiger Tumore entsteht meist durch Mutationen von T-Lymphozyten durch chronische Entzündungszustände, wie es bei Zöliakie ohne konsequente Einhaltung der glutenfreien Diät der Fall ist.

Achtung!

Auch gesunde Erwachsene können plötzlich Zöliakiesymptome entwickeln. Anders als früher angenommen, können auch Erwachsene erstmalig an Zöliakie erkranken. Vielfach laborieren solche Betroffene schon jahrelang mit Symptomen herum, bis sie endlich eine Diagnose erhalten.

Der Grund dafür: Die Symptome sind oft nur unauffällig. Diese sogenannte diskrete oder atypische Variante ist zehnmal häufiger als die klassische Sprue. Statt eines massiven Gewichtsverlustes, Fettstühlen und Durchfall führt die Betroffenen Müdigkeit und Kraftlosigkeit zum Arzt. Dann ist in solchen Fällen oft nur der erniedrigte Eisenspiegel im Blut als Indiz vorhanden.

Gar nicht so selten tritt auch die stumme Form von Zöliakie auf. Dabei findet man dann zwar positive Antikörper und auch eine gequälte Dünndarmschleimhaut, aber keine Beschwerden.

Erkrankungen, die gemeinsam mit Zöliakie auftreten

Viele Untersuchungen und Studien zeigen, das Zöliakie zusammen mit anderen Autoimmunerkrankungen auftreten kann. Je länger die Erkrankung unerkannt bleibt, desto größer ist die Gefahr auch noch andere Autoimmunerkrankungen zu bekommen. Solche Erkrankungen wären zum Beispiel:

  • Diabetes Typ 1
  • Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse (Morbus Basedow, Hashimoto-Thyreoiditis)
  • rheumatoide Arthritis
  • Dermatitis herpetiformis Duhring (Hautausschlag, herpesähnlich)
  • Autoimmune Leberentzündung (Hepatitis)
  • Immunglobulin-A-Mangel

Diagnose

Der Goldstandard zur Diagnosestellung bei Zöliakie ist auch heute noch eine endoskopische Untersuchung des unteren Zwölffingerdarmes mit entsprechender Probeentnahme. Diese Untersuchung muss unbedingt vor Beginn einer glutenfreien Ernährung erfolgen.

So verlockend es ist, zunächst zu probieren, ob es einem mit einer glutenfreien Diät besser geht, um eine eindeutige Diagnose zu erhalten, ist es ausschlaggebend vor der Biopsie keine Diät zu beginnen.

Antikörperdiagnostik aus Blutserum bei Zöliakie ist unter glutenfreier Diät nicht verwertbar und die bei glutenarmer oder glutenfreier Diät erfolgte Biopsie zeigt dann meist nur eine partielle Zerstörung der Darmzotten, die viele Ursachen haben kann. Für eine definitive Aussage, ob die Betroffenen nun Zöliakie haben oder nicht, müsste dann eine Glutenbelastung über mehrere Wochen erfolgen. Das aber hätte entsprechende Nebenwirkungen.

Fallen also unter Glutenbelastung die Antikörpertests positiv aus und schwinden die Dünndarmzotten ganz und gar, gilt die Diagnose als gesichert.

serologische Untersuchungen

Serologische Untersuchungen auf Autoantikörper dienen dazu um in Familien von Zöliakiebetroffenen nach weiteren Familienmitgliedern zu suchen, die betroffen sein könnten. Viele Experten raten auch dazu Typ-1-Diabetiker und ihre nahen Verwandten zu screenen. Diese Menschen wissen oft gar nichts vom Geschehen in ihrem Darm, da hier die eher unauffällige Form der Zöliakie die Schäden im Darm verursacht.

Bei Kindern wie bei Erwachsenen wird die EndomysiumAntikörper-Bestimmung(EmA-IgA) als Testscreening angewendet. Ist der Test negativ, so ist jedoch eine Zöliakieerkrankung nicht völlig ausgeschlossen. Ist er aber positiv, so sollte eine Dünndarmbiopsie erfolgen.

Bei so gut wie allen Betroffenen lassen sich Antikörper gegen Gliadin im Blutserum nachweisen.  Dieser Test ist aber bei Erwachsenen nicht sehr treffsicher, denn nur 10% der positiv auf Gliadinantikörper getesteten haben nach Dünndarmbiopsie dann auch eine Zöliakie. Dieser Test sollte nur bei einem erwiesen IgA-Mangel angewendet werden.

Der Nachweis von Autoantikörpern gegen das Enzym Gewebetransglutaminase (tTG-IgA) im Blut bietet bei mehr als 97% der Betroffenen unter Glutenbelastung eine sichere Bestimmung.

Der beste Bluttest ist der Nachweis von IgA-Antikörpern gegen EmA mit nahezu 100 Prozent Treffsicherheit.

Gliadin molekulare Struktur der Glutenkomponente
Gliadin: molekulare Struktur des Auslösers der Autoimmunreaktion im Gluten bei Zöliakie

Formen von Zöliakie

Neben der oben beschriebenen klassischen Zöliakie gibt es eine (gering) symptomatische Zöliakie die deutlich schwächer und unauffälliger auftritt als die klassische Form. Früher wurde sie als atypische Zöliakie bezeichnet. Daneben gibt es noch eine subklinische Verlaufsform der Erkrankung sowie eine potentielle Zöliakie.

Gerade bei den beiden letzteren Formen ist es wichtig immer wieder auf die Einhaltung der glutenfreien Diät zu dringen, weil die Betroffenen keine oder kaum Symptome verspüren und die Erkrankung oft nicht ernst nehmen.

Behandlung von Zöliakie

Kommt es zu einer einer Zöliakiediagnose, so hat das tiefgreifende Konsequenzen für die Betroffenen, denn es bedeutet lebenslang eine strikt glutenfreie Diät einhalten zu müssen. 

Die Darmzotten sollten sich unter glutenfreier Ernährung dann spätestens ein Jahr nach Beginn der Diät vollständig erholt haben. Mehr als 90% der Zöliakiebetroffenen sprechen gut auf eine glutenfreie Diät an.

Bei Erkrankten, die damit Schwierigkeiten haben, sollte zunächst nach unbewussten Diätfehlern gesucht werden.

Bei ungefähr einem halben Prozent der Betroffenen kommt es zu Komplikationen. Die refraktäre Zöliakie ist eine schwerwiegende Komplikation der Zöliakie, da hierbei die Symptome wie Gewichtsverlust, chronischer Durchfall, Vitamin-und Mineralstoffmangel trotz strikter Einhaltung der glutenfreien Diät weiter bestehen. In solchen, sehr seltenen Fällen wird nach Ausschluss von bösartigen Erkrankungen mit einer gezielten Unterdrückung des Immunsystems (Immunsuppression) begonnen.

Die ernsten Folgen einer nicht eingehaltenen Diät bei Zöliakie / Sprue

Zöliakiebetroffene, die keinerlei Symptome oder nur leichte Symptome verspüren, wenn sie sich nicht streng an ihre glutenfreie Diät halten haben ein signifikant erhöhtes Risiko an Lymphomen zu erkranken. Auch Tumore im Hals-Nasen-und Ohrenbereich sowie in der Speiseröhre können bei ihnen viel häufiger auftreten, als bei ihren Leidensgenossen, die ihre Diät einhalten. Schlendrian in der Diät kann ernste Schäden hervorrufen.

Die Deutsche Gesellschaft für Zöliakie rät: Betroffene sollten sich trotz Wohlbefindens einmal im Jahr durchchecken lassen. Dabei sollte ein Blutbild gemacht werden, die Eisen- und Vitaminwerte bestimmt werden und eine Ultraschalluntersuchung des gesammten Magen-Darm-Traktes erfolgen.

Problem: Osteoporose

Viele Betroffene, die von ihrer Erkrankung nichts wissen, führt der Weg zum Orthopäden. Der findet in der blutchemischen Untersuchung dann oft nur ein erniedrigtes Serum-Calcium und eine erhöhte alkalische Phosphatase. Wird die Ursache dieser Werte, nämlich die Zöliakie nicht gefunden, kann sich eine schwere Osteoporose entwickeln, die die Lebensqualität der Betroffenen stark einschränkt.

weitere Erkrankungen, die durch Zöliakie ausgelöst werden können

Zöliakie kann auch Gelenkentzündungen auslösen und zu deren Fortbestand beitragen. Ebenfalls häufig bei Zöliakiepatienten ist Migräne und andere Kopfschmerzarten.

Wird die Zöliakie nicht erkannt, so wächst mit jedem Jahr die Wahrscheinlichkeit, an weiteren Autoimmunerkrankungen zu erkranken. Nach 20 Jahren der Erkrankung ohne glutenfreie Diät wächst das Risiko weitere Autoimmunerkrankungen zu entwickeln um 35%. Mit längerer Erkrankungsdauer wird der Dünndarm mit seinem permanenten Zottenkahlschlag nach und nach immer durchlässiger für Fremdeiweiße, was die Entstehung weiterer Allergien stark begünstigt.

Der Umgang mit der Erkrankung

Zöliakie ist nicht heilbar. Auch wenn Betroffene keine oder nur wenige Symptome verspüren ist eine lebenslange Diät wichtig um Folgeschäden und Folgeerkrankungen zu vermeiden.

Gerade bei Kindern und jungen Erwachsenen wird noch immer gelegentlich behauptet, die Krankheit verwachse sich. Das ist ein fataler Irrtum.

Eine lebenslange Diät ist eine schwere Bürde, aber im Falle von Zöliakie auch der einzige Weg seinen Körper vor dem Kahlschlag unter den Dünndarmzotten durch Gluten zu bewahren. Die Folgen können durchaus erst und zum Teil auch lebensbedrohlich sein.

Gluten in Medikamenten

Ein immer wieder unter den Tisch gekehrtes Thema ist auch der Gehalt an Gluten in Medikamenten. Weizenstärke ist ein sehr häufiger Hilfsstoff bei der Herstellung von Medikamenten.  Aber nicht nur hier liegen Gefahren. In Zahncremes, Mundspülungen, Lippenstiften und ähnlichen Produkten kann ebenfalls Gluten vorkommen.

Was die Medikamente und deren Verschreibung durch einen Arzt mittels Rezept angeht, so sollte der Arzt jeweils auf die Zöliakie hingewiesen werden. Ihm und Apothekern stehen Datenbanken zur Verfügung, die glutenfreie Medikamente listen. Außerdem ist der Hinweis auf dem Rezept im aut-idem-Kästchen wichtig. Aut-idem ist ein medizinisch-pharmazeutischer Fachausdruck.

Er stammt aus dem Lateinischen und bedeutet wörtlich „oder ein gleiches“. Dieses Kästchen auf dem Rezept darf im Falle von Verschreibungen für Zöliakiepatienten nicht angekreuzt sein, sonst ist es dem Apotheker erlaubt, ein anderes als das namentlich verordnete, aber wirkstoffgleiche Medikament abzugeben. Da entsteht wieder die Gefahr, das das ausgetauschte Medikament Gluten enthält.

Es gibt mittlerweile auch Handy-Apps, die solche Hinweise geben. Hier aber unbedingt auf Verlässlichkeit achten. Außerdem ist Gluten nicht nur in Tabletten sondern auch in Pulvern, Säften, Dragees und Nasentropfen zu finden.

Zöliakie bei Kindern

Heute wird Zöliakie zunehmend erst bei älteren Kindern deutlich. Viele Frauen können heute länger stillen und die allgemein empfohlene glutenfreie Ernährung im ersten Lebenshalbjahr scheinen dies zu verursachen. Allgemein wird empfohlen, glutenhaltige Lebensmittel frühestens ab der 4. oder besser 5. Lebensmonat der Nahrung beizufügen.

Bei einem erheblichen Teil der betroffenen Kinder erfolgte in früheren Jahren die Selsibilisierung für Gluten schon in der frühen Säuglingsphase. Hinweise deuten darauf hin, das je früher mit der glutenhaltigen Nahrung begonnen wird, je schneller auch Symptome zu spüren sind. Kleine Kinder zeigen erst nach 3 bis 6 Monaten mit Vollkorn-oder Grießbrei in der Ernährung Symptome.

Wie entdeckt man Zöliakie bei Kleinkindern:

Bis mit der glutenhaltigen Ernährung begonnen wird, gedeiht das Baby meist problemlos. Als erstes fällt den Eltern dann auf, das das Kleine nicht mehr so zunimmt wie in der Phase mit glutenfreier Ernährung. Der Appetit des Kleinen lässt nach und es erbricht sich gelegentlich, besonders nach Breimahlzeiten.

Dabei nimmt aber die Stuhlmenge trotz mangelndem Appetit zu. Der Stuhl des Kleinen ist von süß-säuerlichem Geruch und hat eine helle sandähnliche Farbe. Die Konsistenz des Stuhls ist dünn-wässrig oder knollig. Die lange verbreitete Ansicht, das Zöliakie immer mit Durchfällen vergesellschaftet ist, ist überholt. Eine Studie zeigte, das nur etwa die Hälfte aller Säuglinge und Kleinkinder immer Durchfälle hat. Bei 25% wechseln normale Stühle mit Durchfällen ab, 15% haben unauffällige Stühle, 10% leiden teilweise unter Verstopfung.

Meist wirken die Kleinen sehr blass und verlieren ihre Lebhaftigkeit, lächeln nicht mehr, weinen oft und anscheinend ohne Grund und spielen nicht mehr gern. Auch können Fähigkeiten die bereits erlernt wurden wie Stehen oder laufen wieder verloren gehen. Die betroffenen Kinder ziehen sich zurück. Eltern fällt in der Regel der aufgeblähte Leib auf, während der Körper langsam abmagert.

Wird ein betroffenes Kind erst spät erkannt, so klagt es meist nur über gelegentliche Bauchschmerzen. Es kann dann schon zu Minderwuchs durch die Mangelernährung gekommen sein.

Wann ist eine sichere Diagnose bei Kindern auch ohne Biopsie möglich?

Um insbesondere kleinen Kindern die Dünndarmbiopsie zu ersparen, ist eine sichere Diagnose manchmal auch ohne den belastenen eingriff möglich. Wenn ein Kind sehr hohe tTG-Antikörperwerte hat, mehrfach erhöhte Endomysium-Antikörper aus unterschiedlichen Blutproben nachweisbar waren, die genetische Testung ein Vorliegen von HLA-DQ2 oder DQ8 ergab und die Beschwerden unter glutenfreier Kost verschwinden, lässt sich die Diagnose auch so stellen.

Selbsttests für zuhause?

Selbsttests aus dem Reformhaus, der Drogerie oder der Apotheke können keine definitive Diagnose stellen. Im besten Fall weisen sie bei korrekter Durchführung relevante Antikörper im Blut nach. Das kann ein Hinweis auf Zöliakie sein, ist aber wie oben ausgeführt nicht ausreichend für eine Diagnose.

Bei Erwachsenen ist grundsätzlich noch eine Biopsie aus dem Dünndarm zu entnehmen, besonders, wenn es nur mäßig ausgeprägte Symptome gibt. Bei Kindern braucht es mindestens eine quantitative Antikörperbestimmung und weitere positive Blutwerte um die Diagnose Zöliakie zu stellen.

Ein negativer Selbsttest schließt wegen der Ungenauigkeit eine Zöliakie auch nicht sicher aus.

Wer also wissen will, ob er Zöliakie hat oder nicht, muss einen Arzt aufsuchen!

Fazit

Zöliakie ist eine schwierige Diagnose. Viele Betroffene bringen eine ganze Odyssee an Arztbesuchen und Fehldiagnosen mit, ehe sie eine definitive Krankheitsbezeichnung zu hören bekommen. Es ist oft ein langer Weg, aber er lohnt sich, denn auf der anderen Seite stehen ernste und zum Teil lebensbedrohliche Erkrankungen und Mangelzustände.

Eine glutenfreie Diät ein ganzes Leben lang durchzuhalten, ist keine Kleinigkeit. Aber auch hier gilt: diese Diät ist absolut alternativlos. Betroffene kämpfen oft mit Vorurteilen und dummen Sprüchen in ihrer Umgebung. Die Palette reicht von: „Das bisschen schadet doch nicht!“ über „Da isst du dann einfach weniger davon, dann geht das schon!“ bis „Wann geht das denn bei dir endlich auch mal wieder weg!“

Sich zurückzuziehen ist auf Dauer keine Option, also hilft nur erklären, erklären und erklären, bis es auch der letzte Schlaumeier endlich verstanden hat. Wobei der letzte irgendwie auch immer doch nur der Vorletzte ist. 

Es ist nicht einfach auf völlige Glutenfreiheit zu achten und die modernen industriell verarbeiteten Lebensmittel machen es einem ebenso wenig leicht, wie verwirrende Kennzeichnungspflichten und kryptische Formulierungen auf Zutatenlisten. Aber haben wir als Betroffene eine Wahl? Nein ist ganz klar die Antwort. Da müssen wir also durch und man kann sich da auch durchwursteln.

Allen Neu-Zöliakie-Erkrankten sei gesagt: Es ist nicht leicht, aber es lohnt sich! Ein Leben ohne Nährstoffmängel und Dauersch…  kann toll sein! Ich habe es geschafft, ihr könnt das auch! 

Die Deutsche Zöliakie-Geselschaft e.V. ist eine gute Quelle für zuverlässige Informationen zum Thema. Neben Backkursen versendet sie Anleitungen zur Ernährung, Listen mit glutenfreien Lebensmitteln und Arzneimitteln sowie Adressen von Herstellern von glutenfreien Fertigprodukten. Einziges Manko: All das geht nur an eingetragenen Mitglieder heraus, gegen Entrichtung eines Jahresbeitrages.

Quellen

  • W. Holtmeier, W. F. Caspary: Celiac disease. In: Orphanet Journal of Rare Diseases. London 1.2006, 3. doi:10.1186/1750-1172-1-3 PMID 16722573 ISSN 1750-1172 (Open Access).
  • Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS): Zöliakie, Weizenallergie und Weizensensitivität; Stand: 30. April 2014, gültig bis 30. April 2019
  • W. Holtmeier, W. F. Caspary: Celiac disease. In: Orphanet Journal of Rare Diseases. London 1.2006, 3. doi:10.1186/1750-1172-1-3 PMID 16722573 ISSN 1750-1172 (Open Access).
  • Leitlinie Zöliakie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten, Stand 05/2014, unter: www.dgvs.de (Abrufdatum: Juni 2020)
  • Schuppan, D. & Zimmer, K.-P.: Diagnostik und Therapie der Zöliakie, in: Deutsches Ärzteblatt (2013), Ausgabe 110 (49), S. 835-846
  • Ivarsson A, Persson LA, Nystrom L, et al.: Epidemic of coeliac disease in Swedish children. Acta Paediatr 2000; 89: 165–71

 

Hallo, ich bin Andy

Ich arbeite als Medizinjournalistin und Autorin.  

Nach Abschluss eines naturwissenschaftlichen Studiums mit Diplom begann ich mich für Medizinjournalismus zu interessieren und machte ihn zu meinem Beruf.

Als Betroffene von Magen-Darm-Erkrankungen weiß ich, worüber ich schreibe.



Bild der Autorin