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Schrittmacher für den Speiseröhren-Schließmuskel


Seit dem Jahr 2013  wird von verschiedenen Therapiezentren in Deutschland ein minimalinvasiver Eingriff zur Implantation eines „Schrittmachers“ für den Speiseröhrenschließmuskel angeboten. In bestimmten Fällen von therapieresistentem Sodbrennen mit Speiseröhrenentzündung und/oder kleinem Zwerchfellbruch wird dieser Eingriff auch von den meisten Kassen seit 2016 bezahlt. Aber bringt das wirklich die Lösung unserer Probleme? Wir haben uns das Verfahren einmal näher angeschaut!

Was sind die Voraussetzungen, um einen Schrittmacher für den Speiseröhrenschließmuskel zu bekommen?

Wer einen Schrittmacher will, muss eine mindestens einjährige erfolglose und vor allem hochdosierte medikamentöse Therapie seines Sodbrennens hinter sich haben. Außerdem muss auf jeden Fall eine Magenspiegelung erfolgt sein, die eindeutig eine Schwäche des Speiseröhrenschließmuskels zeigt und es wird nur operiert, wer entweder die erosive Variante der Refluxerkrankung GERD) hat und auch, wer die nicht erosive Variante (NERD) oder eine Speiseröhrenentzündung hat.

Der ideale EndoStim-Kandidat weist auch einen 24-Stunden-ph-Wert<4,0 für >4,0% auf oder DeMeester-Score>14 ohne PPI. In Frage kommen auch Patienten mit GERD nach „Schlauchmagenverkleinerung“, Menschen mit extraösophagealen Symptomen oder Bewegungsstörungen der Speiseröhre.

Probleme gibt es bei Zwerchfellbrüchen. Nur bei kleinen Zwerchfellbrüchen, die während der endoskopischen OP behoben werden können, kommt das Verfahren in Frage..

Wie läuft die OP ab?

Der Eingriff erfolgt bei einer Bauchspiegelung minimal invasiv unter Vollnarkose. Das Verfahren nennt sich EndoStim. Per Bauchspiegelung werden zwei Elektroden am unteren Speiseröhrenschließmuskel  fixiert und mit dem Schrittmacher verbunden. Den Schrittmacher platzieren die Viszeralchirurgen unter der Haut der Bauchdecke oder im Bauchraum.

Nach Verschluss der Implantationsstelle wird ein Kompressionsverband angelegt. Der Eingriff dauert ca. 1 Stunde. Der Schrittmacher lässt sich dann von außen so programmieren, dass er in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen elektrische Impulse an den Muskel sendet, die ihn sich anspannen lassen.


So sollen die Impulse den Muskel nach und nach kräftigen und der Reflux soll zum Erliegen kommen, zumindest aber deutlich nachlassen.
Die Programmierung des Schrittmachers erfolgt so, das sie den Bedürfnissen des Patienten angepasst wird. Wer also besonders nachts an Reflux leidet, dem wird der Schrittmacher besonders zur Nachtzeit so eingestellt, das die Impulse auch im Liegen verhindern, das Magensäure in die Speiseröhre aufsteigt.

An einigen Kliniken werden diese Eingriffe nicht nur minimal invasiv sondern auch Roboter gestützt durchgeführt. Das Operationsfeld ist winzig: auf zwei mal zwei Zentimetern ist allerhöchste Präzision nötig. Am Übergang zur Speiseröhre müssen die beiden Elektroden platziert werden und diese dürfen nicht verrutschen. Das OP-Robotersystem DaVinci Xi wird für diese Art der Operation bereits erfolgreich eingesetzt.

OP-Alternativen

Für alle mit größeren Zwerchfellbrüchen gilt noch immer die Devise: es gibt nur die Möglichkeit den Bruch in einer offenen OP zu versorgen und dann eine Fundoplikatio zu machen.
Dabei wird der oberste Teil des Magens wie eine Manschette um den Speiseröhrenschließmuskel und den untersten Teil der Speiseröhre gewickelt und dort vernäht, so das sich der Mageneingang verengt. Dabei gibt es zwei Probleme. Das erste ist die Möglichkeit, das die Manschette zu eng oder zu weit angelegt wird.

Ist sie zuweit ist die OP wirkungslos. Ist sie zu eng, gibt es Probleme beim Schlucken und man kann nicht mehr aufstoßen. Was zunächst trivial klingt, ist aber auf Dauer belastend, denn wenn die beim Essen mit verschluckte Luft nicht durch die Speiseröhre und den Mund entweichen kann, dann muss sie sich ihren Weg über den Darm suchen und das führt dann zu Blähungen. Das zweite Problem dieser Art von OP ist schlicht die Zeit.

Wenn ein solcher Eingriff bei einem noch relativ jungen Menschen durchgeführt wird, ist abzusehen, das es früher oder später erneut zum Auftreten der Beschwerden kommen wird, denn die anatomischen Strukturen weiten sich erneut.
Eine weitere Möglichkeit für die Verengung des Mageneingangs ist das sogenannte Magenband. Dabei wird um den Bereich des Speiseröhrenschließmuskels ein mit Magneten versehenes Band gelegt, das über die magnetischen Kräfte seiner einzelnen Glieder den Verschluss des Magens unterstützen soll.

Auch hier gibt es häufig Probleme mit dem Schlucken und das Magnetband kann ins Gewebe einwachsen und so möglicherweise seine Funktion verlieren und weitere Probleme machen.

⇒Hier könnt ihr euch eine Implantation eines Schließmuskelschrittmachers ansehen: ww.br.de/mediathek/video/sendungen/gesundheit/gesundheit-344.html

Nach dem Eingriff

In der Nacht nach dem Eingriff erhält man nur klare Flüssigkeiten. Am folgenden Tag gibt es weiche Nahrung wie Suppen oder Pürees. Je nach persönlicher Verfassung kann eine solche Ernährung für weitere 3 bis 7 Tage nötig sein. Etwa eine Woche nach dem Eingriff sollte vorsichtig zu normaler Nahrung übergegangen werden. Alles wieder vollkommen normal ist etwa 3 bis 6 Wochen nach dem Eingriff.

Nachuntersuchungen

Etwa sechs Wochen nach dem Eingriff findet die normale Nachuntersuchung beim Arzt statt. Danach erfolgen meist Auswertungen des Schrittmachers etwa einmal im Jahr. Dabei kann der Arzt beim Schrittmacher mit dem drahtlosen Programmierer Anpassungen vornehmen.

Rückkehr zur Arbeit

Je nach Job seit ihr ein bis zwei Wochen arbeitsunfähig. Nach 6 Wochen dürft ihr wieder heben und euch körperlich belasten.

Welche Risiken hat die Implantation des Speiseröhrenschließmuskel-schrittmachers?

Die Risiken betreffen weniger die Schrittmacherimplantation an sich als die Vollnarkose und den minimal invasiven Eingriff per Bauchspiegelung. Dabei kann es zu Schädigungen des Darmes oder anderer Bauchorgane  und zur Verletzung der Speiseröhre kommen. Und es gibt natürlich, wie bei jeder OP in Vollnarkose das sog. Narkoserisiko.


Häufige Nebenwirkungen der Implantation eines Schrittmachers für den Speiseröhrenschließmuskel sind Reizungen, Schmerzen und/oder Schwellungen an der Implantationsstelle des Schrittmachers oder des Führungsdrahtes des Elektroden. Diese Nebenwirkungen klingen in der Regel in weniger als einem Monat ab.

Wie lange hält die Batterie?

Es gibt zwei Versionen des EndoStimGerätes, EndoStim I und II. Die Batterie in EndoStim I hält etwa zehn Jahre. Bei Endo Stim II hat sie eine Lebensdauer von ca. 7 Jahren. Das Gerät kann, laut Hersteller, am Ende seiner Lebensspanne problemlos ausgetauscht werden.

Probleme mit medizinischen Untersuchungen

Einziges Problem ist der Kernspinntomograph. Mit Endo-Stim II-System können unter bestimmten Bedingungen CT’s des gesamten Körpers gemacht werden (Tesla 3 MRT-Gerät), nicht aber bei dem EndoStim I-System. Hier dürfen nur Kernspintomographien des Kopfes und der Gliedmaßen gemacht werden.

Was ist mit den Sicherheitskontrollen am Flughafen?

Nach dem Eingriff erhaltet ihr eine Ausweis als Träger eines medizinischen Inplantats. Damit kommt ihr natürlich durch die Sicherheitskontrollen, wenn ihr den Ausweis vorzeigt und euch als Implantatträger bei den Sicherheitsleuten meldet.

Fazit zur Implantation eines Schrittmachers für den Speiseröhrenschließmuskel

Positiv an dieser Methode ist:

 Sie greift nicht wie andere, oben besprochene OP-Varianten unwiederruflich in die Körperstruktur ein.  Eine Fundoplikatio-OP ist nach etwa 4-6 Wochen meist nicht mehr rückgängig zu machen und der Patient muss lebenslang mit den Folgen zurecht kommen. Ähnliches gilt auch für das LINX Magnetband.

Hat der Operateur einen schlechten Tag oder fehlt ihm die Erfahrung kann das zu sehr belastenden Situationen führen. Einen Schrittmacher kann man in den meisten Fällen relativ problemlos wieder entfernen. Die Elektroden würden dann im Körper verbleiben.
Laut Hersteller verspüren über 90% der Patienten, die einen EndoStim-Schrittmacher erhalten haben eine Linderung ihrer GERD-Symptome und benötigen nicht mehr täglich Medikamente.


 Das bedeutet aber nicht, das Schrittmacherträger völlig ohne Medikamente auskommen können und es findet sich auch so mancher Therapieversager in einschlägigen Foren. 

Negativ an dieser Methode ist:

 Der Hersteller scheint auf seiner Internetpräsenz nicht wirklich an eindeutigen Nachweisen der Wirksamkeit des EndoStim interessiert zu sein, denn es gibt dort lediglich zwei sehr dünne und nicht repräsentative winzige klinische Studien mit 56 Patienten, die sich im 3.Jahr der Studie auf 15 Teilnehmer reduziert hatten.


Das aber findet beim Hersteller keinerlei Kommentar, genauso wenig, wie die in der abgebildeten Grafik deutlich ersichtliche Zunahme von Sodbrennen unter der EndoStim-Therapie im dritten Jahr.

Das Gerät ist seit 2013 auf dem Markt und wird in verschiedenen Therapiezentren eingesetzt. Seit 2015 ist bereits die 2.Generation Des Gerätes auf dem Markt. Auf der Herstellerseite zählen wir 39 auf Reflux spezialisierte Kliniken und Zentren allein in Deutschland.

Aber auch unter den erwähnten Pressestimmen auf der Herstellerseite finden wir nur eine „Meta-Analyse“ von 2 veröffentlichten Studien, die ebenso wie die erste ,oben erwähnte Studie natürlich wieder eine signifikante Verbesserung der GERD-Symptomatik und des ösophagealen pH-Wertes zeigt. Teilnehmer waren hier 66 |Patienten aus 11 Zentren in zwei klinischen ‚Langzeit‘-Studien mit bis zu 4 Jahren Verfolgung.

Auch das finden wir ziemlich dürftig und das Zusammenfassen von zwei winzigen Studien auch noch Meta-Studie zu nennen, ist denn doch etwas vermessen.
Aber was ist mit dem angeblichen Trainingseffekt für den Schließmuskel? Damit würde sich, zumindest in einigen Fällen, das Gerät selbst überflüssig machen! Ist das etwa nicht so ganz gewollt oder nur reines Wunschdenken?


Und was passiert wenn der Träger eines EndoStim-Schrittmachers in einen Unfall verwickelt wird und nicht bei Bewusstsein ist, wenn er in die Klinik eingeliefert wird und auch seine Papiere nicht auffindbar sind? Wenn dann der Notarzt ein MRT anordnet, weil er nicht wissen kann das der Patient einen solchen Schrittmacher trägt? Auch dazu kein Wort auf der Herstellerseite.

Zusammenfassung

Trotz etwas verwirrender Studienlage und noch seltenem Einsatz der Methode obwohl sie bereits seit 2013 in Deutschland zugelassen ist, klingt das Ganze verlockend und relativ ungefährlich.
Aber ein schaler Beigeschmack bleibt, denn wird hier nicht schon wieder die Indikationsstellung mit den Jahren ‚erweitert‘? Und machen wir alle, Patienten wie Ärzte uns es nicht ein bisschen zu einfach? Reflux ist ein multifaktorielles Geschehen und hat immer viele Ursachen, nicht nur diese eine, nämlich, das der Ösophagusspinkter nicht richtig schließt.

Aber wer muss schon nach den Warums suchen, wenn man das Problem vorgeblich doch so einfach und nebenwirkungsfrei beheben kann! Der Patient glaubt, das er nun seinen ungesunden Lebensgewohnheiten fröhlich weiter frönen kann und der Gastroenterologe meint das Problem nun eben Mal behoben zu haben. 


Ja, es ist gut, wenn Patienten weniger PPI’s einnehmen müssen oder ganz darauf verzichten können, denn diese Mittel sind nicht ohne erhebliche Nebenwirkungen und machen auch abhängig durch Reboundeffekte. 
Aber passiert jetzt nicht das, was zuvor mit der Einnahme von PPI’s geschah? Wird eine Methode unkritisch und mit zu breiter Indikationsstellung angewandt?


Und wo bleiben die Berichte über die eindeutigen Erfolge dieser Methode? Immerhin ist sie nun schon seit mehr als 6 Jahren in Deutschland zugelassen! Und was ist mit der Verbreitung der Methode im Ausland? Auf der Herstellerseite gibt nur 5 Zentren im vereinigten Königreich, drei in der Schweiz sowie je eines in Italien, Dänemark und Österreich.

Wie wir gerade erfahren haben, ist die Firma EndoStim seit 1.11.2019 in die Insolvenz gegangen. In Europa sucht der Insolvenzverwalter noch nach einem Käufer. In den USA sollen die Geräteträger eine Frist gesetzt bekommen haben, bis zu der sie sich ihr Gerät ausbauen lassen können. Nach diesem Zeitpunkt müssen sie die Entfernung des Gerätes selbst zahlen.  / 12.11.2019

https://www.asklepios.com/presse/presse-mitteilungen/hamburg/altona/Reflux-Schrittmacher~ref=eb4b30af-4bd6-4365-9b67-31baebfb4962~

 

Hallo, ich bin Andy

Ich arbeite als Medizinjournalistin und Autorin.  

Nach Abschluss eines naturwissenschaftlichen Studiums mit Diplom begann ich mich für Medizinjournalismus zu interessieren und machte ihn zu meinem Beruf.

Als Betroffene von Magen-Darm-Erkrankungen weiß ich, worüber ich schreibe.



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