Motilität

Einleitung

All unsere Beschwerden im Magen-Darm-Trakt hängen mit ihr zusammen, der Motilität oder Peristaltik. Sie ist, was unsere Verdauung bewegt! 
Ist sie gestört, kommt es zu Beschwerden. Die Motilität wird gesteuert vom enterischen Nervensystem. Man nennt es auch das Darmnervensystem oder umgangssprachlich das Bauchhirn. Es besteht aus einem komplexen Geflecht von Nervenzellen und liegt als dünne Schicht zwischen den Muskeln unseres gesamten Verdauungstraktes. Seine Aufgabe ist es, die Verdauung zu steuern. Es arbeitet völlig selbstständig. Dabei regelt es die Eigenbewegungen unserer Verdauungsorgane, ihre sogenannte Motilität oder Peristaltik. Aber in welchen Fällen ist die Motilität Auslöser von Beschwerden und warum?

Motilität, was unsere Verdauung bewegt

Was genau versteht man unter Motilität oder Peristaltik?

Man bezeichnet Vorgänge des rhytmischen Zusammenziehens und Entspannens der Muskelgewebe in Speiseröhre, Magen und Darm als Motilität oder Peristaltik. Wir können diese Bewegungen nicht willentlich steuern.

Das Bauchhirn steuert sie autonom. Es ist in die Schichten der glatten Muskulatur, die fast den ganzen Verdauungstrakt auskleidet, eingebettet. Wenn diese Bewegung gestört oder eingeschränkt ist sprechen die Mediziner von gastointestinalen Motilitätsstörungen. Das können sowohl zu starke Bewegungen durch verkrampfte Muskeln sein als auch zu wenige Bewegungen durch erschlaffte Muskeln mit zu wenig Spannung.

Leichte Motilitätsstörungen sind sehr häufig und betreffen in Deutschland Millionen von Menschen. Die beiden Hauptkomponenten des Bauchhirns sind zwei Nervengeflechte, die in verschiedenen Schichten der Muskelwände der Speiseröhre, des Magens und des Darmes zu finden sind.


Diese beiden Nervengeflechte sind die Schaltzentrale unserer Verdauung: Sie regulieren die Motilität aber auch die Durchblutung der Verdauungsorgane. Damit hat das Bauchhirn oder vegetative Nervensystem also die Aufgabe, den Nahrungsbrei zu durchmischen und weiter zu transportieren.

Was beeinflusst das Bauchhirn und welchen Einfluss hat das auf die Motilität?

Das autonome Bauchhirn arbeitet zwar vollkommen selbstständig am Aufschließen unserer Nahrungsbestandteile, aber das vegetative Nervensystem, unser Bauchhirn, besteht aus zwei Bereichen: dem Sympathikus und dem Parasympathikus. Diese wirken in entgegengesetzter Weise in unserem Körper. 

Der Sympathikus

Er bringt uns auf Touren, wenn Gefahr im Anzug ist und programmiert unseren Körper auf das Abrufen von Höchstleistungen. Er lässt unser Herz schneller schlagen, unsere Atemwege sich erweitern aber er fährt auch die Verdauungstätigkeit zurück und vertagt sie auf eine Zeit, in der wir uns wieder ausruhen können.

Sind wir aber in einer dauerhaften und lang anhaltenden Stresssituation kann das zum Problem werden. Der ständig herab gesetzte Tonus der glatten Muskulatur unserer Verdauungsorgane mündet in vielfältigen Störungen.

Der Parasympathikus

Seine Kraft liegt in der Ruhe. Er steuert die Herzfunktion, die Atmung und die Verdauung in Phasen der Entspannung. Sein Job ist die Regeneration, der Aufbau von Kraftreserven. Er kurbelt die Verdauung an und bringt andere Stoffwechselvorgänge in Gang, damit wir uns gut erholen können. Er wird aktiv, wenn wir uns ausruhen und uns sicher fühlen oder einfach nur schlafen. Einer der wichtigsten Nerven des Parasympathikus ist der Vagusnerv.

Die Gegenspieler des vegetativen Nervensystems

Je nach der Situation in der wir gerade sind, übernimmt einer der beiden Nerven die Oberhand.  Sind wir allerdings dauerhaft im Stress kann es Probleme geben.

Sympathikus – Wirkung

Er sorgt für erweiterte Pupillen, eine verminderte Speichelabsonderung, erweiterte Bronchien und Beschleunigung der Herzfrequenz. Aber er vermindert auch die Darmbewegung und die Abgabe von Verdauungssäften.

Parasympathikus – Wirkung

Er wirkt Pupillenverengend. Außerdem vermehrt er die Speichelsekretion, verengt die Bronchien und sorgt für vermehrte Bildung von Bronchialschleim, verlangsamt die Herzfrequenz. Er verursacht vermehrte Darmbewegungen und eine erhöhte Sekretion von Verdauungssäften.

Das vegetative Nervensystem spielt also eine entscheidende Rolle bei der Verdauung und es hat enormen Einfluss auf die Eigenbewegung unserer Verdauungsorgane, die Motilität. Gerät das Gleichgewicht zwischen Sympathikus und Parasympathikus aus der Waage, hat das große Auswirkungen auf die Motilität.

Motilitätsstörungen

Eine gestörte Motilität kann man schwer an bestimmten Beschwerden festmachen. Zu den bei einer gestörten Motilität am häufigsten auftretenden Beschwerden gehören:

  • Blähungen
  • Verstopfung
  • Magenschmerzen
  • Durchfall
  • Sodbrennen
  • Bauchkrämpfe
  • Übelkeit
  • Erbrechen

Aber es kann auch zu vielen anderen Beschwerden kommen. So ist es nicht leicht, eine Motilitätsstörung zu erkennen.

Achtung:
Wenn ihr zu gleichen Zeit an mehr als einer Art von Beschwerden im Verdauungstrakt leidet, kann das auf eine Motilitätsstörung hindeuten, es kann aber auch eine ganz andere Ursache vorliegen. Auch Erkrankungen der Speiseröhre und des Magens können gleichzeitig mehrere Beschwerden bei der Verdauung hervorrufen.
Bitte lasst solche Beschwerden unbedingt von einem Arzt abklären, wenn sie länger anhalten oder sich verschlimmern!

typische Erkrankungen, durch die Störungen der Motilität hervorgerufen werden

Die Medizin unterscheidet primäre Motilitätsstörungen, die als eigenständiges Krankheitsbild ohne erkennbaren Auslöser auftreten und sekundäre Motilitätsstörungen, die durch andere Grunderkrankungen entstehen.

 Solche Grunderkrankungen sind unter anderem:

  • Schilddrüsenüberfunktionen
  • Nebennierenschwäche
  • Diabetes mellitus
  • neurologische Erkrankungen

folgende Krankheitsbilder sind typische Motilitätsstörungen:

Diagnose von Störungen der Motilität

Allen voran muss das Vorhandensein von Erkrankungen der Schleimhäute oder der Strukturen des Verdauungstraktes ausgeschlossen sein.
Die sich hieran anschließende Diagnose von Motilitätsstörungen ist aufwendig, denn mit rein bildgebenden Verfahren kann man hier nichts ausrichten.


Methode der Wahl ist hier die Manometrie. Darunter versteht man eine physikalische Druckbestimmung in Speiseröhre und Darm. Sie ist das Standardverfahren zur Untersuchung von Motilitätsstörungen.

Ösophagusmanometrie

Mit diesem Messverfahren misst man den Druck in der Speiseröhre und überprüft eventuell vorhandene krankhafte Muskelbewegungen. Damit kann sich der Arzt ein Bild von der Beweglichkeit der Speiseröhrenmuskulatur machen und überprüfen, ob der obere und untere Speiseröhrenschließmuskel normal funktioniert oder gestört ist.

 Der Arzt geht damit Schluckstörungen, Speiseröhrenkrämpfen oder Brustschmerzen, deren Ursache nicht das Herz ist, auf den Grund.

Manchmal wird die Untersuchung auch zur Vorbereitung auf eine Operation an Speiseröhre und/oder Magen durchgeführt.

Ablauf:

Die Untersuchung erfolgt im Sitzen. Eine dünne Sonde, an deren Ende sich Druckmesspunkte befinden, wird durch die Nase bis in den Magen geschoben. Nun zieht man die Sonde langsam durch die Speiseröhre zurück und der Patient soll dabei schlucken, entweder mit einem kleinen Schluck Wasser oder leer.

Dabei misst man den Druck, der durch das Schlucken in der Speiseröhre ausgelöst wird.
Meist wird die Nasenschleimhaut betäubt, damit die Untersuchung nicht zu unangenehm ist.

Der Patient darf mindestens sechs Stunden vor der Untersuchung nichts essen und mindestens zwei Stunden vorher nichts mehr trinken.

Die Untersuchung dauert etwa eine halbe Stunde und ist nicht schmerzhaft.
In seltenen Fällen wird die Sonde noch tiefer gelegt und bis in den Zwölffingerdarm vorgeschoben um auch Aufschluss über die Funktion des Magenausgangs (Pylorus) zu erhalten. Das wäre dann eine antroduodenale Manometrie.

weitere Manometrieuntersuchungen

Ähnliche Untersuchungen wie die Ösophagusmanometrie sind:

  • Antroduodenale Manometrie (Untersuchung von Magenausgang und Zwölffingerdarm)
  • Dünndarmmanometrie
  • Kolonmanometrie (Untersuchung des Dickdarmes)
  • Rektummanometrie (Untersuchung des Darmausganges und seiner Schließmuskel)

Antroduodenale Manometrien, Dünndarmmanometrien, Kolonmanometrien und Rektummanometrien sind sehr selten angewandte Untersuchungen, die in besonders komplizierten Fällen zum Einsatz kommen. Die dafür notwendigen Geräte sind nur an wenigen Spezialkliniken vorhanden.

zum Beispiel hier: Viszeral-Medizinisches Zentrum ,ISRAELITISCHES KRANKENHAUS HAMBURG

andere Untersuchungen zur Qualität des Bewegungsverhaltens einzelner Abschnitte des Verdauungstraktes

Der Ösophagusbreischluck, so wird eine Ösophagografie umgangssprachlich genannt, dient der röngenologischen Darstellung der Speiseröhre mit Hilfe eines Kontrastmittels, das Barium oder Jod enthält. Das in Wasser gelöste Kontrastmittel wird in Breiform verabreicht, wobei dabei Röntgenaufnahmen der Speiseröhre (Ösophagogramme) gemacht werden. 

Mit dieser Untersuchung kann eine qualitative Einschätzung des Schluckaktes bezüglich funktioneller Störungen der Muskeln und/oder Nerven der Speiseröhre getroffen werden. Auch strukturelle Veränderungen wie Tumore, Geschwüre, Fisteln und Divertikel können mit dieser Methode sichtbar gemacht werden. 

Magenmotilität – Wie sie funktioniert

Die Magenmotilität oder auch Magenmotorik spielt eine große Rolle im Zusammenspiel unserer gesamten Verdauungsvorgänge. Sie und ihre Störungen zu verstehen ist wichtig, wenn es um Diagnose und Behandlung vieler Erkrankungen des Verdauungstraktes geht. Auch und gerade wenn es um Reflux und stillen Reflux und seine Behandlung geht, spielt die Motilität des Magens eine entscheidende Rolle.

Die Bewegungen des Magens erfolgen durch die glatte Muskulatur die durch Impulse von Nervenzellen stimuliert wird.
Es funktioniert so: Wir besitzen fast überall im Verdauungstrakt spezielle Nervenzellen, die für die Steuerung der Muskulatur verantwortlich sind. Man nennt sie „interstitielle Zellen von Cajal“ nach ihrem Erstbeschreiber, einem spanischen Anatomen.

Sie funktionieren wie Interfacezellen. Direkt unter dem Magenfundus, das ist der oberste Teil des Magens, sitzen solche Zellen, die wie ein Schrittmacher funktionieren. Es wird dort eine kreisförmige Erregungswelle erzeugt, die um den Magenkörper läuft. Diese Erregungswelle erzeugt  dann wiederum die Ausbreitung einer Längswelle den gesamten Magenkörper hinunter bis zum Antrum, dem Magenausgangsbereich.

Der Schrittmacher „feuert“ mit einer Frequenz von etwa drei Kontraktionen in der Minute. Erst wenn die festen Bestandteile der Nahrung zu einer Partikelgröße von 1-2 Millimeter zermahlen worden sind, werden sie durch den Pylorus, den Magenpförtner, in den Zwölffingerdarm entleert.

Welche Störungen der Magenmotilität gibt es?

Grundsätzlich unterscheidet die Medizin zunächst einmal in die sogenannte Nüchternmotilität und die Motilität nach Nahrungsaufnahme. Die Motilität im nüchternen Zustand zeigt ein sich regelmäßig wiederholendes Grundmuster, das man den Nüchternzyklus nennt.

Störungen der Magenmotilität zeigen sich grundsätzlich in einer zu schnellen oder zu langsamen Magenentleerung. Entleert sich unser Magen zu langsam, spricht die Medizin von einer Gastroparese. Das fasst eine Gruppe von Erkrankungen zusammen, bei der die natürliche Magenentleerung durch verschiedene Ursachen verlangsamt ist.

Es kann sein, das sich der oberste Teil des Magens, der sogenannte Fundus nicht ausreichend entspannen kann oder sich der unterste Teil des Magens nicht ausreichend zusammen ziehen kann. Auch ist es möglich, das die Bewegungsabläufe im Magen generell gestört sind oder der Magenpförtner, der sogenannte Pylorus, der am Übergang von Magen zum Zwölffingerdarm sitzt, ist verkrampft.

Weiterhin kann eine Gastroparese auch durch Störungen der elektrischen Leitfähigkeit des Magens entstehen oder die Koordination zwischen Magen und Zwölffingerdarm ist gestört. 

Eine weitere Motilitätsstörung ist das sogenannte Dumping-Symdrom. Es ist quasi das ganze Gegenteil des Gastroparese. Dabei entleert sich der Magen sturzartig entweder sofort nach dem Essen oder aber erst ein bis drei Stunden nach dem Essen. Dieses Syndrom tritt häufig aber nicht nur nach Magenoperationen auf. Menschen mit einem Magenbypass tifft es oft und auch nach einer sogenannten Schlauchmagenoperation bei Adipositas tritt es häufig auf. 

Die Rolle der Nüchternmotilität

Im nüchternen Zustand kontrahiert unser Magen stark. Dadurch wird die Arbeit der Drüsen von Magen und Bauchspeicheldrüse stimuliert. Das sorgt für eine komplette Entleerung des Magens und des Dünndarmes von unverdaulichen Nahrungsbestandteilen.

Ist diese Art der Motilität gestört, kommt es zum Verbleib von Nahrungsresten im Dünndarm. Das wiederum fördert eine bakterielle Fehlbesiedlung dort. Alle festen, nicht verdaulichen Nahrungsbestandteile (Faserstoffe, säureresistente Tabletten) können erst während der Phase der Nüchternmotilität den Magen verlassen.

Motilität nach Nahrungsaufnahme

Wenn wir Nahrung aufnehmen wird das Bewegungsmuster der Nüchternmotilität sofort unterbrochen und durch das gleichförmigere Muster der Motilität nach Nahrungsaufnahme ersetzt. Die nun folgenden Kontraktionen dienen der Durchmischung des Speisebreis mit den Verdauungssäften.

Die Dauer der Motilität nach der Nahrungsaufnahme verhält sich proportional zur aufgenommenen Kalorienmenge. Ein normales Frühstück mit etwa 450 kcal dürfte die Nüchternmotilität etwa 2,5 Stunden unterbrechen.

Motilitätsstörungen des Dickdarmes und Enddarmes

Motilitätsstörungen von Dick- und Enddarm führen oft zu einer Verstopfung (Obstipation).
Leichtere Formen dieses Krankheitsbildes kennen wir alle. Vorübergehende Verstopfungen sind in der Regel gut zu behandeln.


Anders sieht es bei schweren Formen von Verstopfung aus. Sie können sehr belastend sein und sprechen meist nicht auf die üblichen Behandlungen an. Betroffene haben oft über mehr als eine Woche keinen Stuhlgang trotz intensiver abführender Maßnahmen. Hier kann möglicherweise eine Transportstörung des Dickdarmes vorliegen.

Eine Weitere Motilitätsstörung im Darmbereich ist die Stuhlentleerungsstörung durch eine sogenannte Beckenbodendyssynergie. Dabei haben oft die Betroffenen „verlernt“den Schließmuskel beim Pressen zum Stuhlgang zu entspannen. Andere sind nicht in der Lage genügend Druck im Enddarm aufzubauen, um die Stuhlentleerung auszulösen.

In extrem seltenen Fällen ist eine Nervenerkrankung Auslöser des Leidens. Dann fehlen den Betroffenen jene Nervenzellen im Darm, die die Entspannung des Schließmuskels beim Pressen dirigieren. Die Krankheit heißt Morbus Hirschsprung. Sie wird meist bereits im Kindesalter entdeckt.

Fazit

Motilitätsstörungen im Verdauungstrakt sind weit verbreitet. Leichte Formen solcher Störungen, die manchmal zu Erkrankungen werden, kennt jeder von uns. In den letzen Jahren mehren sich die Forschungen zu diesem Thema. Das Bauchhirn ist weitaus einflussreicher als früher angenommen.

Viele Menschen mit Diagnosen wie Reizmagen oder Reizdarm wurden früher auf die Seite der psychosomatischen Erkrankungen aus denen ihre Umwelt oft eher eine psychiatrische Erkrankung machte, gestellt. Nun scheinen sich die Dinge zu ändern und die Wissenschaft akzeptiert langsam den enormen Einfluss unseres Bauchhirns. Das lässt auf neue Behandlungskonzepte und ein neues Verständnis solcher Erkrankungen hoffen.

Quellenangaben

 

Hallo, ich bin Andy

Ich arbeite als Medizinjournalistin und Autorin.  

Nach Abschluss eines naturwissenschaftlichen Studiums mit Diplom begann ich mich für Medizinjournalismus zu interessieren und machte ihn zu meinem Beruf.

Als Betroffene von Magen-Darm-Erkrankungen weiß ich, worüber ich schreibe.



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