Reizmagen, alles psychisch?

Reizmagen, Frau mit Magenschmerzen



aktualisiert am:    24/04/2025

Einführung


Allen Beschwerden des Reizmagens ist gemeinsam, das sie sich nicht auf eine organische Ursache zurückführen lassen. Der Reizmagen ist eine der häufigsten Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes. Etwa 15 - 20% der Bevölkerung geben bei Befragungen entsprechende Symptome an und das ist eine ähnlich große Gruppe wie bei einem Reizdarmsyndrom.
Der Reizmagen, medizinisch als funktionelle Dyspepsie bezeichnet, ist eine häufige funktionelle Störung des oberen Verdauungstrakts. Anders als bei organischen Erkrankungen lassen sich beim Reizmagen keine strukturellen oder biochemischen Veränderungen nachweisen, die die Beschwerden erklären könnten. Dennoch beeinträchtigt diese Erkrankung die Lebensqualität der Betroffenen erheblich und stellt einen häufigen Beratungsanlass in der hausärztlichen und gastroenterologischen Praxis dar.

 

Symptome

Oberbauchschmerzen sind hier eines der Leitsymptome. Es handelt sich um schwer lokalisierbare, diffuse Schmerzen, meist bohrend, dumpf oder brennend. Manchmal tritt auch ein nagendes, schmerzhaftes Hungergefühl auf oder aber ein Druck- oder Völlegefühl. Die Schmerzen wechseln in Intensität und Art des Auftretens und bilden eine gewisse Regellosigkeit aus. Intervalle mit Beschwerden wechseln ab mit beschwerdefreien Zeiten.


Appetitlosigkeit gehört zu den häufigsten Beschwerden des Reizmagens. Allerdings ist es hier wichtig , ob ein ungewollter Gewichtsverlust auftritt und ob dieser mehr als 10% des ursprünglichen Gewichtes ausmacht.


Unverträglichkeiten von Nahrungsmitteln und Nahrungsmittelintoleranzen spielen ebenfalls eine Rolle beim Reizmagen. Eine Unverträglichkeit von sauren Speisen, eine Fettintoleranz, eine Milchintoleranz oder andere Nahrungsmittelunverträglichkeiten weisen auf eine Reizmagenerkrankung hin, können aber auch durch andere Erkrankungen hervorgerufen werden.

Auch hier gilt wieder, wenn die Beschwerden nicht konstant vorhanden sind oder einander abwechseln, weißt dies auf eine Reizmagenerkrankung hin.
Weitere Symptome sind: Sodbrennen, Aufstoßen, Übelkeit und Erbrechen.
In der medizinischen Diagnostik gilt eine Erkrankung des Magens als ein sogenannter Reizmagen, wenn die Beschwerden innerhalb eines halben Jahres mindestens 3 Monate aufgetreten sind.

Die Symptomatik des Reizmagens ist vielfältig und kann variieren.
Charakteristisch sind folgende Beschwerden, die mindestens drei Monate bestehen:

  • Vorzeitiges Sättigungsgefühl
  • Postprandiales Völlegefühl (Völlegefühl nach dem Essen)
  • Epigastrische Schmerzen (Oberbauchschmerzen)
  • Epigastrisches Brennen
  • Übelkeit
  • Aufstoßen
  • Blähungen
  • Appetitlosigkeit

Nach den Rom-IV-Kriterien, die internationale Standards für die Diagnose funktioneller Magen-Darm-Erkrankungen darstellen, wird die funktionelle Dyspepsie in zwei Subtypen unterteilt:

  1. Postprandiales Distress-Syndrom (PDS): Gekennzeichnet durch vorzeitiges Sättigungsgefühl und postprandiales Völlegefühl
  2. Epigastrisches Schmerzsyndrom (EPS): Charakterisiert durch Schmerzen oder Brennen im Oberbauch


Krankheitstypen

Früher wurden Reizmagenpatienten in fünf verschiedene Krankheitstypen eingeteilt. 
Die Ärzte unterschieden den Refluxtyp, der die Refluxkrankheit immitiert und den Ulkustyp, der ein Magengeschwür oder Zwölffingerdarmgeschwür nachahmt, mit Linderung der Schmerzen nach dem Essen oder Schmerzverstärkung, nächtlichem Nüchternschmerz und Ansprechen auf Behandlung mit Säurehemmern.


Ein weiterer Typ war der Dysmotilitätstyp mit regellosem Oberbauchdruck, Völlegefühl und vorzeitiger Sättigung, Blähungen und Übelkeit. Nachts sind diese Patienten beschwerdefrei. Oft liegt hier auch eine Kombination mit Reizdarmerkrankungen vor.
Der vierte Typ war der Aerophagie-Typ.

Das waren Patienten mit der Veranlagung zum Luftschlucken. Luftansammlungen im Magen können zum sogenannten Roemheld- Symptomkomplex führen. Das ist ein Syndrom bei dem Herzbeschwerden durch Gasansammlungen im Darm und Magen hervorgerufen werden.


Der fünfte Typ war die ideopathische Form. Diesem wurden alle Patienten zugeordnet, die in keinen der anderen vier Typen ein zuordnen waren.

Reizmagen oder Reizdarm oder beides?

Bei Menschen mit der Diagnose Reizdarmsyndrom treten häufig auch Symptome eines Reizmagens auf. Häufig fragen sich Betroffene, ob sie nun einen Reizdarm oder einen Reizmagen haben.
Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Fest steht, das bei beiden Erkrankungen ähnliche oder gleiche Faktoren der Entstehung diskutiert werden. Man geht davon aus, dass sie verwandt sind und gemeinsam auftreten.


Ob es sich allerdings um die selbe Erkrankung handelt, die gegebenenfalls einfach nur einen anderen Abschnitt des Verdauungstraktes befällt, ist noch unklar. Sicher ist hingegen, dass beide Erkrankungen zu den funktionellen Störungen zählen.

Was weiß man über die Ursachen eines Reizmagens?

Es gibt verschiedene Faktoren, die Reizmagen begünstigen. Dazu zählen seelische Belastungen, Depressionen und Angststörungen, traumatische Erlebnisse besonders in der Kindheit und natürlich Stress in negativer Form.
Die exakten Hintergründe sind aber noch nicht geklärt.

In den USA wird die funktionelle Dyspepsie seit neuestem zu den Erkrankungen der Darm-Hirn-Achse gezählt. Dort wird das Erklärungsmodell der Hypersensitivität angewandt: Betroffene sollen Reize spüren, die Gesunde nicht wahrnehmen können und diese als unangenehm empfinden, zum Beispiel die Bewegungen der Magenwand nach der Nahrungsaufnahme.

Dabei spielen Dehnungsrezeptoren in der Magenwand eine Rolle, denn diese Rezeptoren leiten im Falle eines Reizmagens möglicherweise die natürliche Magenbewegung als schmerzhaften und unangenehmen Reiz an das Gehirn weiter. Ob dieser Erklärungsversuch aber ausreicht, um ein so komplexes Beschwerdebild gänzlich zu erklären, bleibt fraglich.

Es können auch Allergene aus Nahrungsmitteln eine Rolle spielen, denn das Immunsystem reagiert auf diese Reize und verändert die Wahrnehmung der normalen Verdauungsabläufe.

Auch genetische Faktoren scheinen eine Rolle zu spielen. Angehörige von Reizmagenpatienten haben ein höheres Risiko ebenfalls zu erkranken.


Ein anderer Risikofaktor für die Entstehung eines Reizmagens stellt ein verändertes Darmbiom dar.  Oft wird ein Reizmagen nach Einnahme von Antibiotika beobachtet und nach Magen-Darm-Infektionen, die ebenfalls Einfluss auf die Darmflora nehmen. Aber das ist längst nicht bei allen Reizmagenpatienten der Fall.

In den kommenden Jahren sollen zu diesem Thema einige Studien gemacht werden, um solche Zusammenhänge besser zu untersuchen.
Diskutiert wird auch eine verminderte Beweglichkeit des Magens als Ursache für einen Reizmagen. Hierbei handelt es sich um Veränderungen der Motilität des Magens. Eine längere Verweilzeit von aufgenommener Nahrung im Magen kann zu einer erhöhten Säureproduktion der Belegzellen des Magens führen.


Von einigen Forschern wird auch eine Besiedelung mit dem Bakterium Helicobacter pylori als auslösender Faktor für einen Reizmagen ins Feld geführt.
Einzig gesichert ist: Rauchen, Alkohol und Übergewicht fördern die Entstehung eines Reizmagens. Auch können diese Faktoren die Symptome erheblich verschlimmern. Das beweisen Studien bereits.

Pathophysiologische Mechanismen

  • Gestörte Magenmotilität: Verzögerte Magenentleerung und verminderte Magenakkomodation
  • Viszerale Hypersensitivität: Überempfindlichkeit auf Dehnungs- und Schmerzreize
  • Entzündliche Prozesse: Niedriggradige Entzündung der Magenschleimhaut
  • Genetische Faktoren: Familiäre Häufung funktioneller Magen-Darm-Erkrankungen
  • Psychosoziale Faktoren: Stress, Angst, Depression

Risikofaktoren

  • Weibliches Geschlecht (Frauen sind häufiger betroffen)
  • Psychische Belastungen und Stress
  • Durchgemachte gastrointestinale Infektionen
  • Helicobacter pylori-Infektion (umstritten)
  • Bestimmte Medikamente (z.B. NSAIDs)
  • Ungesunde Ernährungsgewohnheiten

Wie diagnostiziert der Arzt einen Reizmagen?

Reizmagen ist eine Ausschlussdiagnose. Der Arzt muss sicherstellen, das keine anderen Erkrankungen des Oberbauchs hinter den Beschwerden stecken. Die Liste der in Frage kommenden Erkrankungen ist lang.


Auch eine Magenschleimhautentzündung, ein Magengeschwür, Erkrankungen der Gallenwege und der Leber, die die Schmerzen auf die linke Seite projizieren, Erkrankungen des Dickdarms, Tumoren des Magens und der Speiseröhre sowie verschiedene Nahrungsmittelintoleranzen und Unverträglichkeiten bis hin zu echten Allergien können hier die Beschwerden verursachen.


In einem sogenannten Anamnesegespräch erkundigt sich der Arzt nach Beschwerden und Vorerkrankungen und versucht zu erfahren, was es im Leben der Betroffenen gibt, das zur psychischen oder sozialen Belastung führen könnte.
Daran schließt sich meist eine körperliche Untersuchung an. 


Meist ordnet der Arzt auch eine Magenspiegelung und/oder einen Ultraschall des Oberbauchs und Blutuntersuchungen an. Bei etwas mehr als 50% der Betroffenen von Reizdarm findet man bei der Magenspiegelung Veränderungen der Strukturen von Speiseröhre, Magen oder Zwölffingerdarm, die die vorgetragenen Beschwerden erklären können.

Außerdem kann der Arzt auch einen Test auf das Vorliegen einer Infektion mit Helicobacter pylori machen, der ebenfalls Auslöser für die Beschwerden sein kann.
Wenn all diese Untersuchungen keine auffälligen Befunde ergeben, erhärtet sich der Verdacht auf einen Reizmagen.

Anamnese und körperliche Untersuchung

  • Detaillierte Symptomerfassung
  • Erfassung von Ernährungsgewohnheiten und Lebensstil
  • Psychosoziale Anamnese
  • Medikamentenanamnese
  • Körperliche Untersuchung mit Fokus auf den Bauchraum

Alarmsymptome ("Red Flags")

Besondere Aufmerksamkeit gilt den Alarmsymptomen, die auf eine organische Erkrankung hindeuten können:

  • Ungewollter Gewichtsverlust
  • Schluckstörungen
  • Anhaltendes Erbrechen
  • Gastrointestinale Blutungen
  • Anämie
  • Tastbare Resistenz im Abdomen
  • Familiäre Häufung von Magen- oder Ösophaguskarzinomen
  • Alter > 55 Jahre bei Erstmanifestation

Apparative Diagnostik

  • Ösophagogastroduodenoskopie (ÖGD): Goldstandard zum Ausschluss organischer Ursachen wie Ulzera, Gastritis, Karzinome
  • Helicobacter pylori-Testung: Atemtest, Stuhltest oder im Rahmen der Endoskopie
  • Abdomensonographie: Zur Beurteilung anderer Oberbauchorgane
  • Labor: Blutbild, Entzündungsparameter, Leberenzyme, Pankreaswerte, ggf. Zöliakie-Serologie

Bei entsprechender Symptomatik oder Alarmsymptomen können weitere Untersuchungen indiziert sein:

  • 24-Stunden-pH-Metrie (bei Verdacht auf gastroösophagealen Reflux)
  • Funktionsuntersuchungen der Magenentleerung
  • Abdominelles CT oder MRT

Diagnosestellung nach Rom-IV-Kriterien

Die Diagnose Reizmagen wird nach den sogenannten Rom-Kriterien gestellt. Diese Kriterien wurden von Medizinern und Experten aus der Gastroenterologie und der inneren Medizin zusammengestellt, die sich in regelmäßigen Abständen in Rom treffen. Dort überarbeiten sie die Kriterien, nach denen die Diagnose Reizdarm gestellt wird. 

Die dort festgelegten Symptome müssen im letzten halben Jahr mindestens 3 Monate lang aufgetreten sein:  

  • Schmerzen im Oberbauch
  • Brennen hinter dem Brustbein oder im Bereich des Oberbauches, also zwischen Brustbein und Bauchnabel
  • zu früh auftretendes Sättigungsgefühl

Außerdem darf es keinerlei Hinweise darauf geben, dass eine andere Erkrankung die Symptome, die der Patient vorgetragen hat, auslösen könnte.

Wie wird therapiert?

Das wichtigste Element der Therapie bei Reizmagen ist Information.
Der Arzt nimmt die Beschwerden des Patienten ernst. Der Patient muss sicher sein, dass er ausreichend untersucht wurde. Der Patient braucht verständliche und beruhigende Erklärungen über ausgeschlossene ernsthafte Erkrankungen.

Auch sollte der Arzt ihn über das Wesen der Reizmagenerkrankung als funktionelle Erkrankung aufklären und vor allem über die günstige Prognose der Erkrankung. Der Arzt sollte den Patienten bei der Suche nach Stressfaktoren unterstützen oder versuchen auf eventuell vorhandene Konfliktsituationen hinzuweisen.
Der Patient braucht sachliche Hinweise über die begrenzte Wirksamkeit von Medikamenten und Ernährungsempfehlungen, sollten Nahrungsintoleranzen vorhanden sein.

Im Laufe der Jahre wird mehr als jeder zweite Patient seine Beschwerden los, besonders wenn Stressfaktoren und ungünstige Lebensumstände und Verhaltensweisen abgebaut werden.

Basismaßnahmen

  • Aufklärung über die gutartige Natur der Erkrankung
  • Beruhigung des Patienten ("Reassurance")
  • Lebensstil- und Ernährungsmodifikation
  • Stressreduktion

Medikamentöse Therapie

Die medikamentöse Therapie orientiert sich am vorherrschenden Symptomkomplex:

Bei Postprandialem Distress-Syndrom (PDS):

  • Prokinetika (z.B. Metoclopramid, Domperidon) zur Verbesserung der Magenmotilität
  • Pflanzliche Präparate wie Iberogast (STW 5)

Bei Epigastrischem Schmerzsyndrom (EPS):

  • Säurehemmer (Protonenpumpenhemmer, H2-Rezeptor-Antagonisten)
  • Niedrig dosierte Antidepressiva (z.B. Amitriptylin, Mirtazapin)
  • Schmerzmittel in schweren Fällen

Bei nachgewiesener H. pylori-Infektion:

  • Eradikationstherapie (kann bei einem Teil der Patienten zu Symptombesserung führen)

Psychosomatische Therapieansätze

  • Entspannungsverfahren (Progressive Muskelrelaxation, Autogenes Training)
  • Kognitive Verhaltenstherapie
  • Hypnotherapie
  • Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion

Komplementäre Therapieverfahren

  • Akupunktur
  • Phytotherapie
  • Wärmeanwendungen

Ernährungsempfehlungen

Die Ernährung spielt bei der Behandlung des Reizmagens eine zentrale Rolle. Allgemeine Empfehlungen umfassen:

Grundsätzliche Maßnahmen

  • Regelmäßige Mahlzeiten in ruhiger Atmosphäre
  • Langsames Essen und gründliches Kauen
  • Mehrere kleine Mahlzeiten statt wenige große
  • Ausreichende Flüssigkeitszufuhr (vorwiegend Wasser, ungesüßte Tees)

Spezifische Empfehlungen

  • Vermeidung von individuellem Triggern: Führen eines Ernährungstagebuchs zur Identifikation
  • Häufig problematische Lebensmittel:
    • Fettreiche Speisen
    • Scharf gewürzte Gerichte
    • Koffeinhaltige Getränke
    • Kohlensäurehaltige Getränke
    • Alkohol
    • Zitrusfrüchte und stark säurehaltige Lebensmittel
    • Frische Backwaren

Spezielle Diäten

  • FODMAP-arme Diät: Insbesondere bei Überlappung mit Reizdarmsyndrom
  • Eliminationsdiät mit schrittweiser Wiedereinführung: Zur Identifikation individueller Trigger

Wann sollte man sofort zum Arzt?

Viele Reizmagenpatienten befürchten, das sie an einer schwerwiegenden Erkrankung leiden. Das ist aber nicht der Fall und sollte vom Arzt auch so vermittelt werden. Es gibt allerdings ernstzunehmende Warnzeichen, die Betroffene zeitnah zum Arzt führen sollten:

  • Nachtschweiß
  • plötzliche oder allmähliche körperliche Leistungsminderung
  • gelegentliches Fieber über 38,5 °C
  • Blut im Stuhl, schwarzer Stuhl
  • wiederkehrendes Erbrechen
  • regelmäßiges Erbrechen
  • Erbrechen mit Blutbeimengung

Medikamente bei Reizmagen

Es gibt drei Gruppen von Medikamenten, die bei Reizmagen verordnet werden. Je nach vorherrschenden Beschwerden werden sie kombiniert oder einzeln angewendet.

Behandlung mit Prokinetika

 Prokinetika sind Medikamente, die die Bewegungen des Magens fördern. Die gängigsten Medikamente sind solche mit dem Wirkstoff Metoclopramid (Handelsname Paspertin) und Domperidon (Handelsname Motilium).

Die beiden Wirkstoffe steigern die sogenannte Motilität im oberen Verdauungstrakt und wirken auch gegen Übelkeit und Erbrechen. Diese Wirkstoffe beschleunigen also die Magenentleerung. Domperidon erhöht zusätzlich den Druck des unteren Speiseröhrenschließmuskels. Aber beide Medikamente haben auch Nebenwirkungen, die nicht unerheblich sein können.

Deshalb werden sie nur kurzzeitig und in der niedrigsten wirksamen Dosis eingesetzt.

Säureblocker und H2-Blocker

Als Säureblocker bezeichnet man sogenannte Protonenpumpeninhibitoren oder Protonenpumpenhemmer. Diese Medikamente, deren prominentester und auch umstrittenster Vertreter das Omeprazol ist, waren lange nicht zur Behandlung des Reizmagens zugelassen.

In letzter Zeit jedoch werden sie zunehmend auch "Off Label", das heißt ohne für die Erkrankung zugelassen zu sein verschrieben. Vielen Reizmagenpatienten bringen sie Erleichterung. Allerdings gibt es noch keine wirklich aussagekräftige Studie zur Wirksamkeit.

H2-Blocker wie beispielsweise Famotidin, hemmen die Produktion von Magensäure indem sie die Bindung von Histamin im Magen an seine Rezeptoren blockieren, so dass die Magensäureproduktion zurück gefahren wird. Die Studienlage ist bei diesen Medikamenten nicht eindeutig. es gibt auch Studien, die keine Vorteile der Einnahme von H2-Blockern gegenüber Placebos sehen.

Reizmagen mit pflanzlichen Mitteln behandeln

Eine hohe Wirksamkeit in Studien hat beispielsweise das Medikament STW-5 gezeigt. Es wird unter dem Handelsnamen Iberogast vertrieben. Bei diesem Medikament handelt es sich um den allerdings alkoholischen Auszug der Pflanze Iberis amara (bittere Schleifenblume), Süßholzwurzel, Kümmel, Pfefferminzblätter, Melissenblätter, Kamillenblüten, Angelikawurzel, Schöllkraut und Mariendistel. 

Es gibt jedoch auch bedenkliche Inhaltsstoffe wie den Alkohol, der zur Extraktion benutzt wird, die verwendeten Pfefferminzblätter und das Schöllkraut.
Die Herstellerfirma Bayer Vital GmbH fügte im September 2018 diesbezüglich Warnhinweise in den Beipackzettel von Iberogast ein.

Alkohol reizt den Magen, Pfefferminze beschleunigt die Magenentleerung aber entspannt auch die Muskulatur des Magenbereichs. Dazu gehört auch der untere Speiseröhrenschließmuskel, was zu Sodbrennen / Reflux führen kann.

Die innerliche Verwendung von Schöllkraut ist umstritten, denn es gehört zur Familie der Mohngewächse und enthält Alkaloide. Es steht im Verdacht Leberschäden wie Hepatitis (Leberentzündung), Cholestase (Rückstau von Gallensaft) bis zu Leberversagen auszulösen.

Leichte Vollkost bei einem empfindlichen Magen

als gut verträglich gelten:

  • selbst zubereitete, frische Mahlzeiten
  • gegartes Gemüse
  • gekochter Reis und Nudeln
  • mageres Fleisch wie Huhn und Pute
  • fettarme Wurst, Käse, Fisch
  • Speisen aus einer Mischung aus Eiern, Mehl und Milch
  • altbackenes Brot

Es gibt keine spezielle Diät bei Reizmagen. Jeder von uns verträgt unterschiedliche Lebensmittel besser oder schlechter. Empfohlen wird von den Ärzten eine leichte Vollkost. Dabei solltet ihr auf Lebensmittel verzichten, die Beschwerden machen. Erlaubt ist, was bekömmlich ist. Testet vorsichtig aus, welche Lebensmittel ihr vertragt und welche nicht. Manchmal treten auch erst Symptome auf, wenn eine bestimmte Menge überschritten wird. Hier ist also das richtige Maß entscheidend.

Führt ein Ernährungs-und  Symptomtagebuch. So könnt ihr am einfachsten heraus finden, welche Lebensmittel Symptome machen.

Auch verschiedene Entspannungstechniken wie Atemübungen, Yoga und Muskelentspannung können helfen, den Reizmagen in den Griff zu bekommen.

 Aktuelle wissenschaftliche Forschung

Die Forschung zum Reizmagen hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Folgende Bereiche stehen im Fokus:

Mikrobiom-Forschung

Neuere Studien untersuchen die Rolle des Magen-Darm-Mikrobioms bei der Entstehung und Aufrechterhaltung funktioneller Dyspepsie. Veränderte Mikrobiom-Zusammensetzungen wurden bei Patienten mit Reizmagen nachgewiesen. Therapeutische Ansätze mit Probiotika zeigen in ersten Studien vielversprechende Ergebnisse.

Neurobiologische Faktoren

Die Forschung zur Darm-Hirn-Achse hat gezeigt, dass psychische Faktoren wie Stress und Angst über neurobiologische Mechanismen zu viszeraler Hypersensitivität und gestörter Magenmotilität führen können. Bildgebende Verfahren des Gehirns (fMRT) haben abweichende Aktivierungsmuster bei der Verarbeitung viszeraler Stimuli bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie nachgewiesen.

Genetische Untersuchungen

Genomweite Assoziationsstudien (GWAS) haben erste genetische Varianten identifiziert, die mit einem erhöhten Risiko für funktionelle Dyspepsie einhergehen, insbesondere Gene, die an der Immunregulation, der Schmerzverarbeitung und der Motilitätskontrolle beteiligt sind.

Neue Therapieansätze

  • Neue pharmakologische Ansätze: Entwicklung spezifischer Rezeptoragonisten und -antagonisten für Serotoninrezeptoren und Motilinrezeptoren
  • Neuromodulation: Transkranielle Magnetstimulation, Vagusnervstimulation
  • Personalisierte Medizin: Biomarker-basierte Therapiestrategien

Aktuelle Studien

  • Die TOAST-Studie untersuchte den Effekt einer H. pylori-Eradikation auf die Symptome der funktionellen Dyspepsie und zeigte einen moderaten Nutzen bei einer Untergruppe von Patienten.
  • Die NUTRICEPTOR-Studie erforscht den Zusammenhang zwischen Ernährung, Darmmikrobiom und Rezeptorexpression im Magen-Darm-Trakt bei Patienten mit funktioneller Dyspepsie.
  • Verschiedene klinische Studien evaluieren neue pharmakologische Substanzen, darunter Acotiamid (ein Acetylcholinesterase-Inhibitor) und Tegaserod (ein partieller 5-HT4-Rezeptoragonist).

Prognose

Die Prognose des Reizmagens ist hinsichtlich der Lebenserwartung günstig, jedoch kann die Erkrankung chronisch verlaufen und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Etwa 30-50% der Patienten erleben eine spontane Besserung innerhalb eines Jahres, während andere einen chronisch-rezidivierenden Verlauf zeigen.

Eine frühzeitige Diagnose, eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung und ein multimodales Therapiekonzept können den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen. Dabei spielt die aktive Beteiligung des Patienten an der Behandlung eine entscheidende Rolle.

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Quellen

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Hallo, ich bin Andy

Ich arbeite als Medizinjournalistin und Autorin.  

Nach Abschluss eines naturwissenschaftlichen Studiums mit Diplom begann ich mich für Medizinjournalismus zu interessieren und machte ihn zu meinem Beruf.

Als Betroffene von Magen-Darm-Erkrankungen weiß ich, worüber ich schreibe.



Andy Kuhl