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Mehr InformationenEinführung
Bilden Sodbrennen und Reizdarm tatsächlich ein unheiliges Schwesternpaar? Drei wissenschaftliche Untersuchungen weisen darauf hin. Dabei ist nachgewiesen worden, dass die Wahrscheinlichkeit von Sodbrennen-Patienten an einem Reizdarm zu erkranken etwa drei Mal so hoch ist wie bei der übrigen Bevölkerung. Die Wissenschaft nennt das schlicht eine signifikante Komorbidität.
Sodbrennen Geplagten hilft das eher wenig. Jene von uns, die nicht auf die Gabe von Protonenpumpeninhibitoren ansprechen, sind in besonderer Weise gefährdet, einen Reizdarm zu entwickeln. Doch was ist tatsächlich dran an jener unheiligen Schwesternschaft und erzeugt nun eigentlich das Sodbrennen den Reizdarm oder ist es umgekehrt?
Sodbrennen und Reizdarm - treten sie wirklich gemeinsam auf?
Viele Betroffene der Refluxkrankheit reagieren nicht oder zumindest nicht ausreichend auf die Gabe von Protonenpumpenhemmern, um beschwerdefrei zu werden. Das sind die derzeit stärksten Medikamente zur Hemmung der Bildung von Magensäure. Das erzeugt Dauerkundschaft in den Sprechzimmern der Ärzte. Doch weshalb diese Medikamente nicht wirken, mag kaum jemand herausfinden. In wissenschaftlichen Kreisen gilt das Thema Sodbrennen als ausgebrannt.
Mit diesem Thema kann man keine wissenschaftlichen Lorbeeren mehr ernten. Um so erfreulicher ist es, wenn sich nun doch einige Wissenschaftler mit der auf der Welt am weitesten verbreiteten Beschwerde beschäftigen. In diesem Fall stellte man sich die recht naheliegende Frage, ob Sodbrennen bei Reizdarmpatienten häufiger auftritt als in der übrigen Bevölkerung.
Die Fakten zu Sodbrennen und Reizdarm
In einer wissenschaftlichen Befragung mit 2300 US-Bürgern zwischen 30 und 95 Jahren und in einer weiteren Befragung von 1649 Bewohnern Hong-Kongs ergaben sich jeweils, dass etwa zwölf Prozent aller Befragten angaben, sowohl unter Sodbrennen als auch unter Reizdarm zu leiden. Damit ist die Wahrscheinlichkeit, dass beide Erkrankungen gemeinsam auftreten, bei Sodbrennen-Patienten etwa drei mal so hoch, wie in der übrigen Bevölkerung.
Bei der Befragung aus Hong-Kong stellte sich sogar heraus, dass Männer mit Sodbrennen dort ein 9 Mal höheres Risiko hatten, an Reizdarm zu erkranken. Außerdem schienen jüngere Menschen öfter betroffen, als ältere.
Eine Gruppe von US-Forschern untersuchte mögliche Ursachen des gemeinsamen Auftretens von Sodbrennen und Reizdarm.
Dabei stellten sie fest: Sodbrennen-Patienten die nicht oder wenig auf die Gabe von PPI ansprechen, reagieren viel sensibler auf Tests mit Säurereizen in der Speiseröhre oder das Setzen von Dehungsreizen mit einem Ballon. Außerdem waren diese Überempfindlichkeiten mit dem Reizdarmsyndrom und/oder Angststörungen oft gemeinsam anzutreffen.
US-Wissenschaftler stellten übrigens fest, dass es zwei Symptome gibt, die auf das gemeinsame Auftreten von Sodbrennen und Reizdarm hinweisen. Diese Symptome sind: Leibschmerzen und Schlafstörungen.
Reizdarmsyndrom - die Dunkelziffer ist hoch
Die Diagnose Reizdarmsyndrom ist eine sogenannte Ausschlussdiagnose. Was heißt das?
Kommt ein Patient mit Beschwerden des Reizdamspektrums zum Arzt, so muss dieser zunächst alle ernsthaften Erkrankungen mit den selben oder ähnlichen Symptomen ausschließen, ehe er auch nur daran denken kann, eine Reizdarmdiagnose zu stellen.
Die wichtigsten Erkrankungen, die auszuschließen sind:
- Zöliakie
- Darmparasiten (Würmer)
- Salmonellen
- Shigiellen
- Yersinien
- Pilze
- Viren
- autonome Neuropathie bei Diabetes mellitus
- Medikamentenunverträglichkeiten
- Schilddrüsenunterfunktion
- Geschwüre
- chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa
- Darmkrebs
Schnell lässt sich erahnen, dass nicht jeder Patient den Durchhaltewillen aufbringt, solche Mengen an Untersuchungen über sich ergehen zu lassen. Zumal viele davon nicht gerade angenehm sind. Einige Autoren sprechen davon, dass fast jeder zweite Patient mit Sodbrennen auch unter Reizdarm leiden könnte. So ist die Dunkelziffer also sehr hoch.
Näheres zum Thema Reizdarm erfahrt ihr in unserem Artikel:
Reizdarmsyndrom
Was haben Sodbrennen und Reizdarm gemeinsam?
Es gibt zwei Faktoren, die sowohl Sodbrennen als auch das Reizdarmsyndrom mit auslösen können.
Der erste ist Stress. Damit ist sowohl negativer als auch positiver Stress gemeint.
Das heißt, eine hohe Arbeitsbelastung und private Probleme können sowohl Sodbrennen wie auch einen Reizdarm triggern. Doch auch eine große Aufregung, die Planung einer Hochzeit oder die Geburt eines Kindes als Beispiele für positiven Stress können das Auftreten von Sodbrennen und/oder Reizdarm fördern.
Der zweite Faktor ist ein verändertes Darm-Microbiom. Es entsteht oft bei länger auftretendem Sodbrennen und es triggert die Entstehung eines Reizdarms.
Wie entsteht ein verändertes Darm-Biom?
Veränderungen der Magensäuremenge können durch viele Erkrankungen entstehen. Zum Beispiel eine Entzündung im Magen, also eine Gastritis. Entweder es ist eine Entzündung durch Stress oder durch Stoffe in Medikamenten oder das Aufsteigen von Gallensäuren und Bauchspeicheldrüsensekret (Gallereflux). Oder es liegt eine atopische Gastritis vor, bei der immer mehr Belegzellen im Magen untergehen. Dabei kommt es allmählich zu einem Mangel an Magensäure. Aber auch eine Therapie mit Protonenpumpeninhibitoren kann zu einem Magensäuremangel führen oder die Einnahme von Antazida. Außerdem kann die Einnahme von Antibiotika einen Darm schon gewaltig ins Stottern bringen. Hier sollte während und nach der Therapie unbedingt mit Probiotika dagegen gehalten werden.
In beiden Fällen verändert sich die Zusammensetzung des Gemisches aus Speisebrei und Magensäure mit Enzymen, die im Zwölffingerdarm ankommt.
Folgen von Änderungen der Zusammensetzung des Speisebreis
Im Zwölffingerdarm werden dem Speisebrei Galle und Bauchspeicheldrüsensekret beigefügt, um die weitere Verdauung im Dünndarm möglich zu machen. Doch die Menge der dort beigefügten Substanzen hängt von der Menge an Magensäure ab. Die vorhandene Salzsäure stimuliert im Darm sitzende Zellen die ein Hormon namens Somatostatin abgeben. Dieses Hormon drosselt nun über den Gastrinkreislauf die Magensäureproduktion. Ist jedoch zu wenig Säure vorhanden, kommt der gesamte Kreislauf durcheinander. Ebenso ist es, wenn zu viel Magensäure vorhanden ist. Dies geschieht auch, wenn eine Therapie mit Protonenpumpenhemmern erfolgt. Auch hier wird ja die Menge an Magensäure aus therapeutischen Überlegungen heraus reduziert.
Stress triggert sowohl Sodbrennen als auch Reizdarm
Sowohl positiver als auch negativer Stress können zu Sodbrennen führen. Aber Stress kann auch dazu beitragen, dass wir einen Reizdarm entwickeln. Nicht jeder Stress triggert die beiden unheiligen Schwestern, doch kommen noch andere Faktoren hinzu, ist die Aussicht auf Sodbrennen und Reizdarm gar nicht mehr so fern. Jeder Betroffene sollte sich selbst beobachten. Wann treten die Symptome auf und in welcher Lebenssituation bin ich gerade?
Hier hilft das viel zitierte Tagebuch oft weiter, mit dem man viel sicherer als aus der Erinnerung heraus, den Triggern auf den Grund gehen kann.
Über Möglichkeiten Reflux bei Stress zu verhindern, könnt ihr euch in diesem Artikel informieren:
Reflux bei Stress verhindern
Schilddrüsenhormone und verändertes Darm-Microbiom
Das veränderte Darm-Biom hat jedoch noch eine andere Auswirkung. Im Darm werden große Mengen Schilddrüsenhormone von der inaktiven Form in die aktive, für den Körper verwendbare Form umgewandelt. Doch wenn das Darm-Biom verändert ist, kann dieser Prozess stark gestört sein.
Die Folge:
Es treten Symptome einer Schilddrüsenunterfunktion auf, trotzdem die Schilddrüse eigentlich in Ordnung ist.
Eines dieser Symptome ist ein Gastrin-Mangel. Der wiederum führt zu Magensäuremangel und letztendlich zu Sodbrennen und Reizdarm.
Und dieser Prozess kann sich sogar selbst verstärken!
Weniger Magensäure durch zu wenig aktives Schilddrüsenhormon führt zu einer weiteren Veränderung des Darm-Bioms und so schaukelt sich alles gegenseitig auf.
Wenn ihr euch für die Zusammenhänge zwischen der Schilddrüse und Sodbrennen interessiert, findet ihr alles dazu in unserem Artikel:
Schilddrüse und Sodbrennen
Dilemma Diagnosefindung bei Sodbrennen und Reizdarm
Sodbrennen allein ist per se keine Krankheit, sondern ein Symptom. Es ist sogar ein Symptom, dass auch bei Reizmagen auftreten kann. Doch das Problem bei Sodbrennen besteht in der Tatsache, dass es auch das häufigste Symptom ist, das Menschen zum Arzt führt. Vor dem Arzt oder der Ärztin steht also eine riesige Blackbox, wenn wir nur Sodbrennen als Symptom vorbringen.
Zum einen sieben Patienten gern ihre eigentlich zahlreicheren Symptome aus.
Das läuft dann in etwa so: Na ja diesen Durchfall, den ich habe, der kommt und geht halt. Was soll der denn mit dem Sodbrennen zu tun haben. Ist ja eine Etage tiefer. Das sag ich jetzt aber mal nicht dazu. Ist mir irgendwie peinlich.
Zum anderen denkt sich Arzt oder Ärztin: Schon wieder so ein Fall von unvernünftigem essen. Bevor ich den jetzt weiter untersuche, bekommt er erst einmal einen PPI. Dann wird sich das Ganze schon beruhigen.
Das Resultat ist: Der Magensäure-Mangel verschärft sich noch und der Durchfall wechselt sich mit Verstopfung ab. Was den Patienten zu Abführmitteln greifen lässt, die aber bei Reizdarm meist alles noch schlimmer machen.
Dann geht der Behandelte zum Arzt und sagt, er habe nun nicht nur Sodbrennen sondern auch Durchfall und Verstopfung. Er fragt die Medizinerin, ob das wohl von diesem Medikament, das er da nehmen solle, komme.
Ich denke, ihr kennt dieses Problem. Doch wo liegt die Lösung?
Reizdarm hat viele Gesichter
Das Beschwerde-Spektrum bei Reizdarm ist recht groß. Und es steht nicht nur eine Untersuchung auf dem Kalender. Dennoch müssen solche Beschwerden abgeklärt werden. Denn in Ausnahmefällen, kann auch etwas Ernstes dahinter stecken.
Haben wir nun mal eben vergessen unsere Darmbeschwerden mit anzugeben, als wir mit unserem Sodbrennen zum Arzt gingen, entstand schon einmal ein schiefes Licht auf unsere Beschwerden. „Vergessene“ Beschwerden sollten wir also nicht einfach hinzufügen, sondern auch zeitlich richtig einordnen.
Wichtig für den Arzt ist es auch, ob die Darmprobleme sich abwechseln, oder ständig da sind. Das gibt ihm einen wichtigen Hinweis auf eine eventuelle Reizdarmproblematik.
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Fazit
Wieviele Menschen, die unter Sodbrennen oder sogar der Refluxkrankheit leiden auch einen Reizdarm haben, ist unbekannt. Es scheinen aber weit mehr Betroffene zu sein, als jemals gedacht. Von der Vorstellung, dass es sich bei beidem um das handelt, was Ärzte eine psychiatrische Somatisierungsstörung nennen, sollte sich die Medizin verabschieden.
Allerdings wird es wohl noch ein bisschen dauern, bis auch der letzte Gastroenterologe, der sich von seinen therapieresistenten Patienten genervt fühlt, das begriffen hat. Nein, weder Sodbrennen noch Reizdarm sind ein Grund für einen Besuch beim Psychiater. Beides kann man sich nicht einbilden. Wir können nur hoffen, dass man sich mehr und mehr dem widmet, dass eigentlich der Hauptweg zur Diagnose sein sollte: dem Patientengespräch.
Und ja, auch die Patienten sollten ihre Beschwerden nicht mal eben nach Gutdünken aussieben und dann später in kleinen Häppchen nachträglich servieren. Es darf schon einmal ein kleiner Spickzettel sein, damit man nichts vergisst!
Quellen
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